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Der Architekt der neuen Vision 2030 für Saudi-Arabien, Vizekronprinz Mohammed bin Salman.

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Washington/Riad/Wien – Normalerweise ist es Barack Obama, der den saudischen Zorn auf sich zieht: Diesmal aber fungiert der US-Präsident als Barriere zwischen dem US-Kongress und einem Gesetz, das am Dienstag einstimmig – also auch mit Zustimmung der Demokraten – erst einmal den Senat passiert hat: Jasta, der Justice Against Sponsors of Terrorism Act, soll US-Bürgern erlauben, andere Staaten im Zusammenhang mit in den USA begangenen Terrorakten zu verklagen.

Obwohl der Name Saudi-Arabien darin gar nicht vorkommt, ist klar, worauf das Gesetz abzielt: Es wurde auf Druck von Familien von 9/11-Opfern auf den Weg gebracht. Gerüchte, dass Kreise in der saudischen Führung und Königsfamilie Al-Kaida und konkret die 9/11-Attentäter unterstützt haben, gibt es seit 2001. Genährt wird der Verdacht durch 28 Seiten eines Abschlussberichts zu 9/11, die nie zur Veröffentlichung freigegeben wurden. Auch der republikanische Senator John Cornyn, mit dem Demokraten Charles Schumer einer der Jasta-Sponsoren, nahm in einer Pressekonferenz darauf Bezug.

Belastete Beziehungen

Saudi-Arabien hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Die offizielle US-Position ist, dass Al-Kaida "aus" Saudi-Arabien Unterstützung erhalten hat, dass es jedoch keine Hinweise auf eine offizielle Involvierung gibt. Obama hat angekündigt, ein Veto gegen das Gesetz – das noch das Abgeordnetenhaus passieren muss – einzulegen. Einerseits wird befürchtet, dass sich auch andere Länder ähnliche Gesetze zulegen könnten, die die US-Immunität antasten könnten. Andererseits hat die US-Regierung kein Interesse an einer weiteren Verschlechterung der durch Obamas Iran- und Syrien-Politik ohnehin schon angespannten Beziehungen zum alten strategischen Partner Riad.

Der saudische Außenminister Adel al-Jubair warnte bereits im März davor, dass sich Saudi-Arabien gezwungen sehen würde, sich von US-Vermögenswerten zu trennen, sollte das Gesetz Realität werden. Seitdem wird darüber diskutiert, wie viel das denn sei: Die New York Times kam zuerst auf die Summe von 750 Milliarden Dollar US-Staatsanleihen, laut Bloomberg-Berechnungen machen diese jedoch nur knapp 119 Milliarden aus: ein Bruchteil dessen, was China und Japan haben (je mehr als eine Billion). Um wie viel es insgesamt geht, darüber wird aber noch diskutiert, ebenso, ob sich Saudi-Arabien nicht selbst am meisten schädigen würde, sollte es seine Anleihen und andere Werte abstoßen.

Für die US-Regierung haben die Wolken am Horizont auch eine Syrien-Dimension: Ohne Unterstützung Saudi-Arabiens und dessen Einfluss auf die von Riad gesponserte syrische Opposition ist der diplomatische Prozess, der in einer politischen Lösung für Syrien münden soll, nicht aufrechtzuerhalten.

Riads Plan B für Syrien

Dass Riad nicht unbedingt mit am US-russischen Strang ziehen muss, zeigte Außenminister Jubair am Dienstag nach den mäßig erfolgreichen Syrien-Gesprächen in Wien: Es sei Zeit, an einen Plan B zu denken – mehr Waffen für die Rebellen, sagte er. Noch gilt, dass an der Aufrechterhaltung der Feuerpause, an der die Verhandlungen in Genf hängen, festgehalten wird, aber Saudi-Arabien stellte die Rute ins Fenster.

Adel al-Jubair, seit Ende April 2015 im Amt, hat seinen Posten bei der Umbildung der saudi-arabischen Regierung vor zehn Tagen behalten, obwohl er anfangs – als Nachfolger von Prinz Saud al-Faisal, der 40 Jahre lang Außenminister des Königreichs war – eher als Übergangslösung galt. Der frühere Botschafter in den USA zeigt zunehmend Ecken und Kanten und ist zum idealen Vertreter der neuen, aggressiven – aber auch als unberechenbar geltenden – saudischen Außenpolitik geworden.

Für die politische Wende steht Königssohn und Vizekronprinz Mohammed bin Salman, der immer mehr Macht akkumuliert. Um Saudi-Arabien aus den wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu führen, hat er ein ehrgeiziges Zukunftsprogramm – die Vision 2030 – verkündet, das unter anderem die Abhängigkeit vom Erdöl drastisch verringern soll. (Gudrun Harrer, 19.5.2016)