Krisenzeit? Professor Güttel hat Faustregeln – Strategien für richtiges Führungsverhalten in turbulenten Zeiten – parat.

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Wenn Märkte kollabieren, Kriege Absatzmärkte vernichten oder technologische Revolutionen traditionelle Kompetenzen wertlos machen, braucht es Führungskräfte, die eine Organisation sicher durch die Krise navigieren. Dabei helfen spezifische Fähigkeiten. Welche das sind, arbeitete Wolfang Güttel vom Institut für Human Resource & Change Management an der Universität Linz, heraus, indem er über 40 Manager befragte. Das Ergebnis der Studie sind mehrere "Faustregeln": Strategien für richtiges Führungsverhalten, vor und in der Krise.

Strategische Wachsamkeit, Reflexion von Entwicklungsszenarien

Für Krisen gibt es Vorzeichen, sagt Güttel: "Man muss wachsam sein in Bezug auf Entwicklungen." Wichtig sei, regelmäßig eine "Helikopterperspektive" einzunehmen, "zu überlegen, welche Szenarien auf einen zukommen könnten." Ebenso gelte es zu fragen, wie gut das eigene Team aufgestellt ist – ob Rollen richtig verteilt sind und Kommunikation funktioniert.

Symbolische Entscheidungen

In der Krise sollten Führungskräfte als eine Art Role-Model agieren. "Sie müssen für Mitarbeiter sichtbar sein und ihnen realistische Zuversicht vermitteln", sagt Güttel. "Das tun sie, indem sie Gelassenheit zeigen – auch wenn rundherum alles zusammenbricht."

Proaktivität

Der Zusammenbruch etablierter Strukturen könne auch als Chance genutzt werden: "Führungskräfte können möglicherweise Neuerungen durchsetzen, mit denen sie sonst nicht durchkommen", erklärt Güttel und verweist auf das Beispiel FACC. "Der Flugzeugkomponentenbauer ist auch erst während der Schneekrise aus Fischer entstanden, indem der damalige F&E-Leiter und heutige FACC-CEO Walter Stephan die Initiative für ein völlig neues Geschäftsfeld ergriff."

Funktionierende Teams, gemeinsamer Bezugsrahmen

"Führungskräfte betonten immer wieder, wie wichtig es in der Krise war, sich auf ihr Team verlassen zu können", sagt Güttel. Wie beim Segeln müssten Rollen und Zuständigkeiten rechtzeitig, also schon vor dem "Sturm", geklärt und eingeübt werden, sagt Güttel. "Es muss feststehen, wer bei den Segeln ist, wer navigiert, wer am Ruder steht. Denn im Gewitter hört keiner mehr Zurufe, um Rollen zu klären oder den Kurs zu diskutieren."

Prioritätensetzung, Delegation

An den Ressourcen Zeit und Aufmerksamkeit mangelt es Führungskräften zumeist. Gerade in Krisen müssten sie sich auf "die Megathemen" konzentrieren – und dafür unwichtigere Aufgaben delegieren können, erklärt Güttel. "Die Kompetenz lautet hier, zu entscheiden: Wo schaue ich genauer hin und was kann ich guten Gewissens an andere abgeben?"

Krisenkommunikation

Informationsveranstaltungen, regelmäßige Meetings und Betriebsversammlungen seien einerseits wichtig, um Entscheidungen transparent zu machen, sagt Güttel. Andererseits seien sie nötig, um der Besatzung zu vermitteln: "Die Krise ist schlimm, aber wir haben einen Plan. Und wer Fragen hat, kann sie hier stellen." Besonders in Krisen müsse Gerüchten und Befürchtungen durch offene und authentische Kommunikation entgegengesteuert werden.

Entscheidungsregeln und Dokumentation

In turbulenten Zeiten brauche es eine Balance zwischen Flexibilität und Effizienz, so Güttel. "Klare Entscheidungsregeln, quasi als Leitplanken, helfen hier. Dazwischen muss es Raum für flexibles Handeln geben, um auf Überraschungen schnell reagieren zu können." Ebenso bedeutend: die Dokumentation von Entscheidungen. "Führungskräfte sind unter Druck. Anweisungen und Gründe für Entscheidungen zu verschriftlichen kann sie retten, wenn es ins Juristische geht."

Diversifikation, kultureller Wandel

Sich neben den Kernkompetenzen auf Alternativen zum bestehenden Geschäft umzusehen, sei ratsam. Güttel: "Wenn man einem einzigen Bereich, einer einzigen Technologie, einem einzigen Markt ausgeliefert ist, ist die Gefahr groß, dass einen die Krise hart trifft." Führungskräfte sollten darüber nachdenken, Ressourcen in Spin-offs, in wachsende Technologiefelder oder Geschäftsmodelle zu stecken. Auch die Kultur des Unternehmens gelte es zu hinterfragen und gegebenenfalls zu verändern, "besonders wenn die strategische Identität Ursache der Krise ist, indem Veränderungsinitativen zu lange unterdrückt oder zu wenig ambitioniert durchgeführt wurden."

Netzwerkbildung

Schließlich könnten durch Netzwerkpartner und Kooperationen – etwa mit Unis oder mit kleinen explorativen Start-ups – sich anbahnende Entwicklungen und Krisen früher erkannt und deren Auswirkungen besser abgefedert werden, sagt Güttel. "Durch Netzwerkpartner bekommen Unternehmen Zugriff auf Informationen und Kompetenzen. Auch hier gilt: In ruhigen Zeiten selektiv zu investieren ist wie eine Versicherung für den Sturm." (Lisa Breit, 26.5.2016)