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Neu wird Alexander Van der Bellen dieses Problem wohl nicht vorkommen, musste er sich doch schon als langjähriger Chef der Grünen immer wieder damit herumärgern: Seine Partei punktet im urbanen Raum, schwächelt aber auf dem Land. Was schon bisher für die Grünen galt, trifft jetzt auch im Präsidentschaftswahlkampf zu. Will Van der Bellen die Stichwahl am Sonntag gewinnen, wird er in diesem Wählersegment gehörig zulegen müssen.

Aber warum klappt es nicht im ländlichen Raum? "Die Grünen sind auf dem Land einfach weniger präsent. Schauen Sie sich die FPÖ an: Da gibt es viele Bürgermeister und allerorts eine Unmenge an Gemeinderäten und Gemeinderätinnen", sagt Johannes Zweytick, der beide Seiten gut kennt. Für die ÖVP saß er lange in Wien im Nationalrat, heute ist er Vizebürgermeister von Ehrenhausen an der Weinstraße, einer fast 3.000 Einwohner zählenden Gemeinde in der Steiermark. Weit braucht der Winzer nicht zu schauen, um ein Beispiel für die blaue Vormachtstellung zu finden.

"Fünf Mal so viele Hofer- wie Van-der-Bellen-Plakate"

Im ersten Wahlgang hatte Hofer in der Gemeinde 49,4 Prozent und Van der Bellen nur bescheidene 9,4 Prozent. "Die Freiheitlichen führen einen Wahlkampf wie bei einer Nationalratswahl. Es gibt sicher auch fünf Mal so viele Plakate wie von Van der Bellen", sagt Zweytick, der sich selbst für den ehemaligen Grünen-Chef engagiert – trotz seiner ÖVP-Mitgliedschaft. Warum? Zweytick: "Ich wähle in diesem Fall ja keine Partei, sondern einen Menschen."

Van der Bellen schwächelt am Land

Ist Ehrenhausen ein Beispiel von vielen? Die Zahlen sagen Ja. In dünnbesiedelten Gebieten schneidet Alexander Van der Bellen unterdurchschnittlich ab. Hätten im ersten Wahlgang nur Gemeinden mit weniger als 3.000 Einwohnern und einer geringen Bevölkerungsdichte gewählt, käme der Ex-Grünen-Chef ohne Wahlkarten nur auf 14,3 Prozent der Stimmen. Sein Kontrahent Norbert Hofer schneidet in dünnbesiedelten Gemeinden überdurchschnittlich ab. Er käme so auf 39,8 Prozent der Stimmen.

Anders sähe das Ergebnis aus, wenn nur Großstädte wählen würden. Dort hat Alexander Van der Bellen im ersten Wahlgang eine relative Mehrheit erreicht.

In städtischen Regionen – also Orten, die mehr als 300 Einwohner pro Quadratkilometer und mehr als 3.000 Einwohner haben – war der Abstand zwischen Van der Bellen und Hofer zwar weniger frappant, aber doch deutlich.

Negative-Campaigning gegen die Grünen auf dem Land

Wie kann dieses Stadt-Land-Gefälle gestoppt werden? "Möglicherweise wird die Stadtlastigkeit durch diese Wahl schwächer, weil neue Wählerschichten auf dem Land das erste Mal Grün wählen", sagt Christoph Hofinger vom Meinungsforschungsinstitut Sora. Um diese Wählerinnen und Wähler anzusprechen, müsse Van der Bellen "interessenspolitisch auf die Interessen der ländlichen Bevölkerung Rücksicht nehmen". Was dagegen spricht: Hofinger nennt wie Zweytick die "stärkere Struktur der FPÖ auf dem Land", die Sozialstruktur der "klassischen" Grünen-Wähler (jünger, gebildeter, viele Studierende). Nicht zuletzt habe es laut Hofinger "seit der Nationalratswahl 2002 ein systematisches Negative-Campaigning gegen Grün auf dem Land" gegeben – Stichwort Haschtrafiken oder Zwangsvegetarismus. (Peter Mayr, Gerald Gartner, 21.5.2016)