Im FPÖ-Parlamentsklub verfolgten der Wiener Vizebürgermeister Johann Gudenus (li.), Generalsekretär Herbert Kickl und ÖVP-Überläuferin Ursula Stenzel den Wahlabend.

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Norbert Hofer hatte sich 52 Prozent gewünscht. Knapp, aber eben doch weit genug vorn, um gewonnen zu haben. Im Wissen um die unvorhersehbare Dynamik von Wahltagen sagte der Kandidat der FPÖ, der das Amt des Dritten Nationalratspräsidenten gegen das des Bundespräsidenten tauschen möchte, am Sonntag aber auch: "Es könnte knapp werden." Und das wurde es auch. So knapp, dass am Wahlabend alles offen und nicht klar war, wer der nächste Bundespräsident wird.

Daheim in Pinkafeld waren die Dinge für Hofer eindeutig. Da haben sich, wiewohl eine "rote" Gemeinde, fast drei Viertel der Wählerinnen und Wähler für ihn entschieden. Noch mehr waren es in der Nachbargemeinde Wiesfleck, wo Hofer auf 83,1 Prozent kam.

Österreichweit jedoch kam quasi eine halbierte Nation heraus. In der ersten halben Stunde nach der ersten Hochrechnung um 17 Uhr, die in der FPÖ-Zentrale in absoluter Stille erwartet wurde, konnte sich Hofer als Sieger wähnen. Zuerst waren es 50,2 Prozent, zwanzig Minuten später 50,1 Prozent. Da war FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl noch "sehr, sehr optimistisch", dass am Ende, also Montagabend nach Auszählung der Wahlkarten, Hofer noch immer vorn liegen werde. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sah eine Abrechnung mit dem "gesamten verkrusteten System" und sprach von einer "politischen Zeitenwende".

Hochrechnungs-U-Turn

Die dritte Hochrechnung brachte dann eine absolute Kehrtwende. Um 17.30 Uhr rangierte Hofer plötzlich mit 49,9 Prozent hinter Alexander Van der Bellen. Um 18 Uhr schließlich die nächste Hochrechnung: 50 zu 50 Prozent.

Was bedeutet das Ergebnis für die FPÖ? Innerparteilich ist Hofer in jedem Fall gestärkt, ob er nun knapp nicht Präsident wird oder doch. Er hat als Person bei einer Direktwahl schon im ersten Wahlgang 35,1 Prozent Zustimmung bekommen. Das liegt weit über dem, was die FPÖ 2013 bei der Nationalratswahl geschafft hat (20,5 Prozent) – und zeigt, dass die FPÖ enorm mobilisieren und die bisherigen Parteigrenzen ausweiten konnte. Vor allem in ländlichen Regionen zog Hofer. Er holte sich nur eine Landeshauptstadt, und das knapp und noch ohne Wahlkarten, nämlich Eisenstadt.

Zugleich ist doch zu bedenken: Präsidentenwahl ist nicht gleich Nationalratswahl. Hofer ist nicht Strache – und das gilt auch umgekehrt. Es wird also die Frage sein, inwieweit sich die Stimmen für Hofer bei der nächsten Bundeswahl in Stimmen für die FPÖ und Strache, der bisher nach außen "das" Gesicht der FPÖ war, ummünzen lassen. Als Staatsoberhaupt wäre Hofer als Wahlkämpfer für die Blauen nicht mehr oder nur sehr bedingt verfügbar, je nachdem, wie er das Amt an der Staatsspitze interpretieren würde. Er hat jedenfalls angekündigt, es wie die Amtsvorgänger halten zu wollen und seine Parteimitgliedschaft während der Amtszeit ruhend zu stellen. Lautstarke Wahlkampfauftritte für seine Partei wären da eher sehr rollenuntypisch.

Für FPÖ-Chef Strache würde ein Umzug Hofers in die Hofburg zumindest die nächsten sechs Jahre einen potenziellen Konkurrenten in Schach halten.

Und wenn es nicht klappt? Dann gibt es in den freiheitlichen Reihen einen neuen starken Mann, mit dem man – und die FPÖ – wird rechnen müssen, auch wenn Hofer am Wahltag sagte, Straches Job wolle er "auf keinen Fall". (red, 22.5.2016)