Robert Ternow (Alexej Krawtschenko), "Minister für Gummisachen", nimmt ein Bad, bevor er sich in den für ihn beauftragten Killer verlieben wird, welcher daraufhin ins Schlagersängerfach wechselt.

Foto: Ekaterina Tsvetkova/www.cvetkova.theatre.ru

Wien – Politiker möchten die Inszenierungen Konstantin Bogomolovs in Russland gerne verbieten, aber es gelingt ihnen nicht. Zu groß ist der Zuspruch beim Publikum, auch vonseiten glamouröser Politikergattinnen, liest man im Programmhefttext von Marina Davydova, der Schauspielchefin der Wiener Festwochen. Und tatsächlich ist Ein idealer Gatte. Komödie angesichts steter Zensurdrohung ein überaus mutiges Stück, wie die Erstaufführung im deutschsprachigen Raum gestern Abend im Museumsquartier offenbarte.

Vom Salonlöwen Oscar Wilde leiht sich Bogomolov nur den Titel und einen Happen vom Plot. Um dann heiß beschworene, allerdings vielfach ausgehöhlte russische Werte über den Haufen zu werfen. Der viele schöne "Schnee" beispielsweise, der in Russland fällt, meint bei Bogomolov meist das Rauschmittel; es ist weiters von "usbekischen Sklaven" die Rede, von einer "schönen Olympiade", vom fallenden Rubel. Und auch die politische Intrige – sie ist der einzige direkte Bezug zu Wildes Stück – zielt ganz klar auf den Kreml, wo die erste Szene spielt. Putin? Ist ein "Imperator".

"Drei Schwestern", "Faust"

Vier Stunden lang – inklusive zweier Pausen, von denen eine überflüssig war – vollführen die Starschauspieler des Moskauer Künstlertheaters ihre männlichen und weiblichen Pirouetten, in karikaturhaft geschlechtstypischer Zuspitzung – und das zu reichlich und sehr lauter Musik.

Denn ein russischer Schlagerstar namens Lord (Igor Mirkurbanow), eine Mischung aus Keith Richards und Roy Black, ist hier die tonangebende Figur. Er verdingte sich einst als Auftragskiller, verlor sein Herz 1999 aber an sein Opfer Robert Ternow (Alexej Krawtschenko), russischer "Minister für Gummisachen", und wechselte daraufhin ins Schlagerfach. Die Erpressung durch Mrs. Cheavely (Marina Sudina) folgt, denn die Tage eines als schwul geouteten Politikers wären in Russland rasch gezählt.

Bogomolov nimmt sich Zeit, schiebt ein Dorian Gray-Mittelstück ein (" Einmal fuhr Dorian mit seinen Freunden zum Skifahren nach Sotschi ..."), adaptiert Szenen aus Tschechows Drei Schwestern, der Möwe oder den Faust-Teufelspakt. Man legt dabei auch zähe Kilometer zurück, zumal dicke Textströme – gesprochen oder gesungen – über die Rampe schwappen, deren Anspielungen sich nur Russen oder Russlandkennern erschließen können.

Dialekt vs. Übertitel

Auch entgehen Spitzfindigkeiten wie dialektale Färbungen (es wird angeblich auch im usbekischen Dialekt gesprochen) den schnöden Übertitellesern. Wer das "da" in "Leonardo da Vinci" als russisches "Ja" zu identifizieren vermochte, war schon happy. Es bleibt dennoch genug Material zu rezipieren.

Dieser Ideale Gatte, ein lautes Echo aus der schon ein wenig verglühten Poptheaterzeit, verfügt über ungewöhnliche Drehungen und einige sehr schöne Koinzidenzen. Am stärksten wirken die Kontraste: Der brutalen Erpressergeschichte und all ihren narrativen Ausläufern steht stets die zelebrierte Poesie und Idyllenlastigkeit alles Russischen entgegen. Die Birke liebt den Ahornbaum so sehr, doch dann fährt der Wind dazwischen ...

Ein zynischer Tonfall trägt den ganzen Abend. Am Ende müssen einander die falschen heiraten (die politische Intrige will es so), die wahren Verliebten kriegen sich nicht. So hat man Romeo und Julia noch nie erzählt – und die Frage nach dem Sinn des Lebens beginnt hier erst. (Margarete Affenzeller, 26.5.2016)