Straßenszene, festgehalten von Edith Tudor-Hart. Ihre Fotoreportagen erschienen auch in der berühmten "Arbeiter Illustrierten Zeitung".

Foto: Edith Tudor-Hart

Salzburg – Der 63-jährige Schriftsteller Peter Stephan Jungk beschäftigte sich zuletzt mit dem Leben seiner Großtante Edith Tudor-Hart. Ergebnis ist nicht nur die Romanbiografie Die Dunkelkammern der Edith Tudor-Hart (S. Fischer, 2015), sondern das Bild eines Jahrhunderts zwischen den ideologischen Polen Faschismus, Kapitalismus und Kommunismus. Am kommenden Montag wird der Autor in der Robert-Jungk-Bibliothek mit Karl Markus Gauß über "Idealismus und Totalitarismus" sprechen.

Als Sohn von Eltern, die vor den Nazis flüchten mussten, kam Jungk in Santa Monica als Sohn des Zukunftsforschers Robert Jungk zur Welt.

Fotografie und Kommunismus

Die Cousine seiner Mutter, damals noch Edith Suschitzky, fand schon in frühen Jahren zu ihren beiden Passionen: Fotografie und Kommunismus. Nach einem Fotografielehrgang am Dessauer Bauhaus wurde die Wienerin Korrespondentin der sowjetischen Nachrichtenagentur Tass. Ihre Fotoreportagen aus Elendsvierteln zeichnen ein realistisches Bild von den tristen Lebensverhältnissen der unteren Klassen im Kapitalismus jener Jahre.

Kein Wunder, dass sie eine bessere und gerechtere Gesellschaft in der kommunistischen Ideologie sah. Auch in deren praktischer, damals meist gefährlicher Arbeit. Als die KPÖ 1933 durch das austrofaschistische Dollfuß-Regime verboten wurde, kam sie ins Gefängnis – viele fotografische Arbeiten gingen dadurch verloren. Schließlich heiratete Edith den englischen Arzt und Kommunisten Alexander Tudor-Hart und konnte so nach England emigrieren. Das Ehepaar unterstützte den Kampf der spanischen Republikaner im Bürgerkrieg und jenen gegen die NS-Diktatur. Auch nach 1945 blieb Tudor-Hart der Idee des Kommunismus treu, obwohl sie, der Spionage verdächtigt, weniger Aufträge erhielt.

Jungk recherchierte dieses konspirative Leben, das die Tudor-Hart sogar vor ihrem Bruder, dem Fotografen Wolf Suschitzky, geheim hielt, und zeichnet ein Porträt des Jahrhunderts der Katastrophen. (Gerhard Dorfi, 27.5.2016)