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Reine Energie, versetzt mit Präzision: Martin Grubinger spielte im Wiener Musikverein ein Auftragswerk von Bruno Hartl.

Foto: EPA/Rehder

Wien – "Energico, con precisione": Die Satzbezeichnung zu Beginn des Schlagzeugkonzerts von Bruno Hartl liest sich beinahe wie eine Charakterbeschreibung seines Auftraggebers. Multiperkussionist Martin Grubinger machte bereits zu Beginn seiner beispiellosen Karriere im Jahr 2000, damals gerade 17 Jahre alt, mit einer ersten Version des Stücks Furore, das Bruno Hartl, ehemaliger Solo-Paukist der Wiener Philharmoniker, für seinen jungen Kollegen geschrieben hatte und dabei viel von dessen Vorlieben hatte einfließen lassen: schwindelerregende vierstimmige Marimbafon-Passagen, wuchtige Paukenschläge und daneben noch ein buntes Sammelsurium von Gongs, Schellen und dergleichen mehr.

Stilistische Breite

Auch stilistisch ist die Komposition breit aufgestellt, vermittelt zwischen Anklängen an die Wiener Schule (besonders auffällig: Alban Bergs Violinkonzert), tänzerischen Rhythmen zwischen Klassik und populären Musikformen, freier Tonalität und Eingängigkeit. Grubinger demonstriert auch nach anderthalb Jahrzehnten freudige Vertrautheit mit Stück und Instrumentarium, präsentiert sich und das Werk mit Effekt und Geschmack, zeigt neben seiner Lust an Show und Bühnenwirkung auch einen (im Lauf der Jahre weiterentwickelten) Klangsinn mit immer feiner werdenden Abstufungen.

Das Pittsburgh Symphony Orchestra unter der Leitung seines Music-Director Manfred Honeck begleitete ihn im Musikverein versiert und mit einer strahlenden Klangpalette quer durch den ganzen Klangkörper, der auch zwei Symphonien ein mehr als nur hübsches Äußeres verlieh: Haydns Hob. I:93 in D-Dur und Tschaikowskys Vierter, beides mit meist tadellosem Glanz absolviert, jedoch auch gar brav und routiniert.

Mehr Präzision als Energie

Das mehrfach zurückgenommene und wieder neuen Schwung gewinnende Tempo im Kopfsatz bei Tschaikowsky etwa wurde kaum als dramaturgisch, formal oder emotional bedeutsamer Prozess erlebbar, sondern eher als genau umgesetzte Anweisung, das Pizzicato-Scherzo hatte weniger etwas Traumartiges als den Anstrich eines Ritts über unsicheres Terrain, der lieber auf Nummer sicher geht. Die Energie, die sich vor allem im Finale massiv Bahn brach, wurde ansonsten durch den Hang zur Präzision eher gehemmt. Eine exquisite Visitenkarte haben das Orchester und sein Chef mit dem ersten Abend ihres dreitägigen Gastspiels aber dennoch abgegeben. (Daniel Ender, 27.5.2016)