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Steve McQueen mit seiner Rolex "Submariner" bei den Dreharbeiten von "Le Mans" 1971. Berühmt wurde später auch die rechteckige "Monaco" von (TAG) Heuer, die er im Film trug. Solche Storys lieben Uhrenfans – und die Hersteller, die diese Modelle immer wieder neu auflegen.

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Nenn es Heritage: TAG Heuer legt die "Monza" (links oben) mit altem Logo wieder auf, Junghans (re.) orientiert sich an Oldtimern, Audemars Piguets Royal Oak (Mitte) zieht auch in Gelbgold, Oris (links unten) setzt auf das Design alter Taucheruhren, und Omega lässt die "Pie Pan"- Zifferblätter aus den 60ern wiederaufleben.

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Wer sich auf den Uhrenmessen des Jahres 2016 umgeschaut hat, konnte den Eindruck gewinnen, ein Déjà-vu zu haben. Da zieren Bauhaus-Schrifttypen aus den 1920er-Jahren die Zifferblätter, etwa bei der Pforzheimer Uhrenmarke Stowa. Da zeigt Junghans die x-te Auflage seiner populären Max-Bill-Kollektion, deren durchdachtes und puristisches Design auf die 1956 von Max Bill entworfene, mittlerweile legendäre Küchenuhr zurückgeht.

Alte Zifferblattformen werden wiederaufgelegt – siehe die betont klassische "Globemaster" von Omega. Dafür haben die Bieler in ihrem gut sortierten Archiv nachgeforscht und mit der gewölbten, zwölffach facettierten Form dem Leadermodell der Co-Axial-Kollektion einen geradezu nostalgischen Touch verpasst. In den 1960ern nannte man diese Form scherzhaft auch "pie pan", Kuchenblech.

Vertrauen durch Vertrautheit

Den meisten dieser "Heritage"-Uhren kommt zugute, dass ihre Designsprache aus einer Zeit stammt, in der man ein glückliches Händchen für Gestaltung hatte. Was damals als modern galt, zieht auch heute noch, stellt Peter Braun, Uhrenexperte und Herausgeber des "Armbanduhren-Katalogs" fest: "Die Visionen der 1970er-Jahre haben sich erstaunlich gut gehalten, wie man an der ungebrochenen Popularität einer Royal Oak (Audemars Piguet), Nautilus (Patek) oder Bulgari-Bulgari unschwer erkennen kann." Ihre simple, klare Formgebung folgt dem Prinzip der Zeitlosigkeit.

Anders als zum Beispiel viele Modemarken bekommen die Uhrenhersteller auch kein Imageproblem, wenn sie ihre Produkte "retro" gestalten. Denn sie kommen – einem fetten Backkatalog sei Dank – kaum in Erklärungsnotstand gegenüber ihren Kunden, die sich nicht einfach nur auf alt getrimmte Produkte wünschen, sondern Marken, deren Ursprung tatsächlich in der Vergangenheit liegt. Die Beschwörung der Vergangenheit, die sich hinter einem großen Namen verbirgt, ist der Schlüssel zum Kunden von heute. Dessen Markenbewusstsein nimmt immer mehr ab.

Geschichte schafft Vertrautheit: Als TAG Heuer seine Sportchronos wie aktuell die "Monza" wiederauflegte, war der Jubel unter den Uhrenenthusiasten unüberhörbar. Besonders gut gefiel, dass man das "TAG" im Logo wegließ und nur "Heuer" zu lesen war/ist. Wie in den guten alten Zeiten vor 1985, bevor die TAG-Gruppe bei der 1860 gegründeten Marke eingestiegen ist (und damit die Uhrenmarke rettete). Solche Geschichten lassen sich gut erzählen und laden das Produkt ganz nebenbei mit Bedeutung auf.

Trendforscher sprechen dann davon, dass sich die Menschen in unruhigen Zeiten nach etwas Vertrautem sehnen. Sie würden nostalgisch ins Gestern blicken, weil doch früher (vermeintlich) alles besser war. Diese Sehnsucht wird bestimmt auch durch die Uhrenbranche bedient. Sie verkauft ja ein an sich antiquiertes, manche würden sagen: unnötiges Produkt, ein Produkt, das aber etwas Vertrautes, weil in höchstem Maße Analoges, mit sich bringt.

Modellpflege fürs Grundeinkommen

Und so wird man kaum jemanden matschkern hören: "nicht schon wieder." Man wird auch kein schlechtes Wort über die neue alte "Daytona" von Rolex hören. Denn: Je näher am Original, desto besser. Je glaubwürdiger eine Heritage-Uhr die Geschichte ihrer Vorgängerin aufgreift, desto legitimer führt sie das Erbe dieses alten Modells fort.

Modellpflege und Heritage – davon lebt die Branche. Schließlich sichern die Klassiker auch das Grundeinkommen der Hersteller, die seit einigen Monaten nicht aus den negativen Schlagzeilen herauskommen. Vor allem die Schweizer Hersteller stöhnen ob der miesen Wirtschaftslage. Die Zeiten seien "sehr schwierig", sagte beispielsweise Richemont-Chef Richard Lepeu Mitte Mai. Mit Uhren macht der Genfer Konzern (unter anderen Panerai, Jaeger-LeCoultre) fast die Hälfte seines Umsatzes. Im Geschäftsjahr 2015/ 2016 (per Ende März) schrumpfte dieser in der Uhrensparte um acht Prozent. In der Schweiz baute der Konzern bis Ende April rund 500 Stellen ab. Das entspricht fünf Prozent der Belegschaft. Der Richemont-Chef wird wohl nicht der einzige Uhrenboss sein, der sich die guten alten Zeiten mit zweistelligem Wachstum zurückwünscht. (Markus Böhm, RONDO, 6.6.2016)