Als die internationale Presse das Religionsbekenntnis des neuen Londoner Bürgermeisters Sadiq Khan thematisierte, meinte die neue österreichische Staatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ), diese Religionisierung der Politik nerve sie. Damit war sie nicht allein.

Viele politisch emanzipierte Muslime problematisierten den Umstand, dass das Zelebrieren dieses Umstandes an sich zeige, für wie wenig selbstverständlich eine solche Tatsache genommen wird. Man könnte dem hinzufügen, dass für die erste Staatssekretärin mit muslimischem Bekenntnis, Muna Duzdar, ohnehin gelte, dass sie im Gegensatz zu Sadiq Khan eben keine fünf Gebete verrichtet und die Pilgerfahrt nach Mekka nicht macht.

Um Religion geht es dabei aber weniger. Vielmehr geht es darum, wie es von vielen SPÖ-Funktionären hieß, dass mit dem neuen Team, dem Duzdar angehört, die "Breite der Gesellschaft" abgebildet wird.

Das ist in erster Linie ein wichtiges Zeichen für die SPÖ selbst. Und als erstes Regierungsmitglied mit muslimischem Religionsbekenntnis in zweiter Linie für das gesamte Land. Es berücksichtigt, dass die, wenn auch numerisch kleine, aber dennoch zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Österreich auch Personen in Regierungsämtern hat.

Muslimische Stimmen

Das ist insbesondere ein Zeichen gegen die Realitätsverweigerung aus dem rechtsextremen Lager. Die Erwiderung Norbert Hofers auf einen muslimischen Studenten, er habe seine Stimme nicht nötig und der Islam sei kein Teil von Österreich, fasst diese Haltung zusammen.

Im Wesentlichen geht es hier nicht nur um eine Realitätsverweigerung, Menschen mit muslimischem Religionsbekenntnis eine Normalität des Daseins zuzusprechen. Es geht auch darum, ihnen ein solches Dasein nicht gewähren zu wollen. Denn ginge es nach Hofer und der FPÖ, so würde etwa eine Frau mit Haarbedeckung nicht einmal im öffentlichen Dienst arbeiten dürfen.

Gesellschaftlich notwendig

Dass Alexander Van der Bellen zuletzt auf das Stichwort "Islam" in einem Krone-Interview mit "Bürgermeister von London" reagierte, zeigt die gesellschaftspolitische Bedeutung dieser Tatsache. Die politisch emanzipierten Muslime haben recht damit, dass das Religionsbekenntnis für die politische Arbeit im Wesentlichen unbedeutend ist.

Aber die Symbolkraft, dass nach Rotterdam auch London einen Bürgermeister mit muslimischem Religionsbekenntnis hat und erstmals in Österreich ein Regierungsamt von einer Muslimin bekleidet wird, hat eine doppelte wichtige Funktion: Zum einen ist es ein Zeichen gegen all jene rechten Realitätsverweigerer, für die eine solche Normalität nicht in ihren Gesellschaftsentwurf hineinpasst. Ein Zeichen, dass es möglich und nun auch von einer zentralen politischen Kraft gewollt wird, nachdem die ÖVP den ersten praktizierenden Muslim in den Nationalrat gehievt hat.

Ausgrenzungserfahrungen

Eine noch weitaus wesentlichere Funktion liegt darin, dass Personen wie Khan und hierzulande Alev Korun, Asdin El-Habbasi und Muna Duzdar ein wichtiges Signal für jene Teile der Gesellschaft darstellen, die wie Duzdar selbst auch mit Rassismen und alltäglichen Ausgrenzungserfahrungen zu tun haben. Für sie ist es ein Zeichen, dass es mit viel Anstrengung doch auch geht. Die Religionisierung, so falsch sie im Kontext einer politischen Funktion auch sein mag, wirkt damit als Strategie des Empowerments. Und diese ist vor dem Hintergrund realer Ausgrenzungserfahrungen, die großteils unbemerkt an der Dominanzgesellschaft vorbeigehen, von zentraler Bedeutung. (Farid Hafez, 31.5.2016)