Tausche Informationen gegen Straffreiheit: Die Studie zur Testphase der Kronzeugenregelung will das Justizministerium erst herausgeben, wenn das Parlament der Verlängerung zugestimmt hat.

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Wien – Ein Gesetz auf Probe: So umstritten war die Kronzeugenregelung im Jahr 2010, dass sie die damalige Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) mit einem Ablaufdatum versah. Ende 2016 läuft der Teil der Strafprozessordnung aus, der Kriminellen eine Verurteilung erspart, wenn sie vor der Staatsanwaltschaft bisher Unbekanntes auspacken – und ihre Komplizen verpfeifen. Nach der Testphase sollte das Gesetz evaluiert und über eine Weiterführung entschieden werden, kündigte Bandion-Ortner damals an. Diese Evaluierung ist schon seit Jänner 2015 fertig, doch das Ministerium hält sie unter Verschluss. Das Gesetz soll trotzdem beschlossen werden.

Im Justizministerium erklärt man das Zurückhalten der Studie mit ihrer mangelnden Aussagekraft: Als die Evaluierung fertiggestellt wurde, waren gerade einmal drei Fälle abgeschlossen, in denen Mittäter von der Kronzeugenregelung Gebrauch gemacht hatten. Allerdings führte das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie (IRKS) auch 37 Experteninterviews mit Staatsanwälten, Rechtsanwälten, Kronzeugen und anderen Betroffenen.

"Möglicherweise falsche Schlüsse"

Dennoch: "Aus dem Bericht alleine würden möglicherweise falsche Schlüsse gezogen", sagt Sektionsleiter Christian Pilnacek zum STANDARD. Veröffentlicht werden soll die Evaluierung zwar sehr wohl – allerdings erst, wenn das Parlament das neue Gesetz beschlossen hat. Laut Pilnacek soll es wieder für fünf Jahre befristet beschlossen werden, damit mehr Daten gesammelt werden können.

Im Justizministerium ist auch ein Handbuch geplant, das die Regelung für Kronzeugen attraktiver machen soll. Für Staatsanwälte bindende Verhaltensregeln im Umgang mit potenziellen Kronzeugen sollen Rechtssicherheit für die Auspacker schaffen. Dass die sich derzeit nicht sicher sein können, ob sie nicht schlussendlich doch angeklagt werden, sehen Experten als entscheidenden Mangel in der derzeitigen Rechtslage – und als Grund dafür, dass Anwälte ihren Mandanten derzeit meist nicht zu einem Deal mit der Staatsanwaltschaft raten würden. Veröffentlicht wird dieses Handbuch gleichzeitig mit der Evaluierung des alten Gesetzes – "im Sinne einer kompakten Darstellung", wie Sektionsleiter Pilnacek sagt.

Neos empört, SPÖ erwartet Bericht

"Das kann es nicht sein", sagt Neos-Justizsprecher Nikolaus Scherak. Ihn empört, dass "das Justizministerium den Abgeordneten offenbar nicht zutraut, dass sie eine Studie mit geringer Fallzahl auch entsprechend einordnen". Er fordert vom Justizministerium die Veröffentlichung von Studie und Handbuch vor dem Beschluss des Gesetzes, alles andere würde die Sinnhaftigkeit einer parlamentarischen Entscheidung infrage stellen. Die neuerliche Befristung – eine Neos-Forderung – befürwortet Scherak.

SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim verwundert das Vorgehen des Ministeriums, zumal er nicht annimmt, dass der Inhalt der Studie besonders skandalös sei. "Ich gehe davon aus, dass wir die Evaluierung alle bekommen", sagt er. Denn eine Abstimmung, ohne dass die Parlamentarier die Studie vorliegen hätten, kommt für den Justizsprecher "nicht infrage". (Sebastian Fellner, 2.6.2016)