Mit viel Gutmütigkeit – oder Naivität – kann man das Vorgehen des Justizministeriums auch als übertriebene Rücksichtnahme interpretieren. Die Kronzeugenregelung soll vom Parlament verlängert werden. Die Testphase wurde evaluiert, doch die Studie behält das Ministerium lieber für sich. Man möchte die Abgeordneten damit nicht verwirren, so argumentiert das Justizministerium jedenfalls sinngemäß, warum es den Bericht erst veröffentlichen will, nachdem das Parlament die Weiterführung des umstrittenen Gesetzes beschlossen hat.

Die Begründung des Ministeriums ist hanebüchen: Die Studie sei nicht aussagekräftig, weil nur eine Handvoll Krimineller bei der Staatsanwaltschaft ausgepackt hat, um sich Straffreiheit zu erkaufen. Dass Wolfgang Brandstetters Ressort den Parlamentariern nicht zutraut, diese Einschränkung des Papiers zu bewerten, ist nicht nur eine Beleidigung der Intelligenz der gewählten Abgeordneten.

Das Vorgehen zeigt auch, welchen Stellenwert das Parlament in der politischen Praxis dieses Landes genießt: Das Gesetz wird im Ministerium ausgearbeitet, das Parlament soll es dann nur noch beschließen. Wozu braucht es da schon die versprochene Evaluierung? Das Justizministerium weiß schließlich Bescheid.

Wenn die Abgeordneten sich selbst und den Parlamentarismus ernst nehmen, lassen sie sich das Vorgehen des Ministeriums nicht gefallen. (Sebastian Fellner, 2.6.2016)