Kandace Springs "Soul Eyes" (Blue Note / Universal), VÖ: 1. 7.

cover: blue note/universal

Als Prince sie über Twitter kontaktierte, dachte Kandace Springs zunächst an einen Scherz. Der Superstar war auf der Website Okayplayer auf das Video einer Coverversion gestoßen, die Springs von Sam Smiths Grammy-prämiertem Hit "Stay with Me" allein auf dem Klavier eingespielt hatte. Wenig später ließ er die junge Musikerin, die sich zwischendurch ihr Geld mit dem Einparken von Autos verdient hatte, nach Minneapolis einfliegen. "Er ist so klein, ich musste ihn gleich umarmen", erinnert sich Springs heute an diese erste Begegnung.

Zwar hat Prince, von dessen Tod sie während einer gemeinsamen England-Tour mit Jazzsänger Gregory Porter erfuhr, Springs immer ermutigt, konsequent ihren eigenen Sound zu verfolgen. Dass die heute 27-Jährige ihr nach eigenen Vorstellungen realisiertes Debütalbum "Soul Eyes" auf dem renommierten Jazzlabel Blue Note veröffentlicht, ist aber nicht märchenhaften Wendungen, sondern der eigenen Hartnäckigkeit geschuldet. Und der langjährigen Betreuung durch zwei alte Hasen im Popgeschäft.

Schreibt Songs, singt, spielt Klavier und repariert gern Autos: Kandace Springs.
Foto: Universal / Mathieu Bitton

Die Songwriter und Produzenten Carl Sturken und Evan Rogers, die schon Rihanna entdeckten, haben Springs bereits als 16-Jährige unter ihre Fittiche genommen. Und zwar ausgerechnet in Nashville, der Country-Metropole der USA. Ob sie von der Musik ihrer Heimatstadt beeinflusst ist? "Überraschenderweise nicht wirklich. Mein Vater ist ein Soul-Sänger und lebt und arbeitet immer noch dort."

Ihr Vater brachte Springs nicht nur Soul- und Gospelmusik ("meine Seele") näher, sondern verschaffte ihr auch Klavierunterricht bei Regi Wooten, dem Bruder des Bass-Kapazunders Victor Wooten. Als sie zehn war, zeigte er ihr einen ersten Jazzakkord: ein Ahaerlebnis. Von ihrem Vater kommt wenig später der Ratschlag: "Du musst zum Singen beginnen, dann passen dir die Leute wirklich auf."

Zum Ratschlag dazu gibt es ein Geschenk, das Debütalbum von Norah Jones: "Ich nahm es auf mein Zimmer mit, um es anzuhören. Dann kam der letzte Song, "The Nearness of You". Ich stoppte ihn, hörte ihn immer wieder an und dachte, oh mein Gott, wer ist dieses Mädchen?" Die Zwölfjährige kauft das Songbook und lernt den Jazzstandard, um bei einem populären Talentecamp für Kinder in Nashville aufzutreten.

Zu den bewunderten Sängerinnen haben sich zwischenzeitlich Namen wie Nina Simone, Ella Fitzgerald und Billie Holiday hinzugesellt. Geblieben ist die Vorliebe für die Kombination von Klavier und Gesang, wie sie auch Roberta Flack verkörpert. Nicht zufällig beschließt Springs ihre Konzerte gern mit einer Version von "The First Time I Ever Saw Your Face", die stark Flack erinnert.

KandaceSpringsVEVO

Die Piano-Vokal-Kombi, mit der Norah Jones das dahinsiechende Traditionslabel Blue Note Records einst mehr oder weniger im Alleingang rettete, war dabei nicht so leicht durchzusetzen, wie man glauben könnte. Als Sturken und Rogers es schafften, Springs von einem ersten Popvertrag wieder loszueisen und einen Deal bei Blue Note auszuhandeln, wähnte man sich – vorschnell – am Ziel.

Ein Artists-and-Repertoire-Mitarbeiter sah im Country-Girl aus Tennessee nämlich keine Soul- oder Jazzsängerin, sondern ein Hip-Hop-Girl. Springs machte anfangs gute Mine zum Plattenfirmenspiel, eine erste EP erschien. Als der Leidensdruck allzu groß wurde und sich die passionierte Autobastlerin lieber ihrem Fuhrpark als der Musik widmete, wendete man sich an Labelboss Don Was direkt. Den hatte Springs einst bei einer Audition mit einer Version von Bonnie Raitts "I Can't Make You Love Me" beeindruckt – "ohne zu wissen, dass das Original von ihm produziert wurde", so Springs. Was willigt ein, das fertige Hip-Hop-Album zu kübeln und einen neuen Anlauf zu nehmen.

Für "Soul Eyes" bekam Springs schließlich jenen Produzenten zur Seite gestellt, den sie und ihre Wegbegleiter Sturken und Rogers bereits vor Jahren im Auge hatten: Bassist Larry Klein, der als Produzent bei Exfrau Joni Mitchell ebenso ein gutes Händchen bewies wie bei den Chanteusen Melody Gardot oder Madeleine Peyroux.

Zusammen suchte man die Songs aus, die von Gemeinschaftskompositionen mit Sturken und Rogers über den Funk-Klassiker "The World Is a Ghetto" von War bis zu zwei Songs von Alternative-Country-Heroine Shelby Lynne reichen, die beweisen, wie gut Country und Soul in den richtigen Händen zusammengehen. "Wir nahmen im Studio alles gleichzeitig auf, was nicht mehr viele machen. Ich denke, man kann hören, dass es sehr organisch ist", so Springs.

Wie bei ihren Konzerten – Springs tritt am 4. Juli im Rahmen des Jazzfests Wien im Porgy & Bess auf – fokussiert das Debütalbum auf die Stimme und die durch den typischen Klein-Mix angereicherte eigene Begleitung: "Ich spiele auf jedem Stück Klavier." Gekostet habe das Album einen Bruchteil des unveröffentlichten Vorgängers.

Das Schlussstück "Rain Falling" ist übrigens ein Song, den Springs noch als Teenager schrieb. Ihr damaliges Alter verrät der frühe Song ebenso wenig, wie man heute hinter ihrer dunkel-rauchigen Stimme eine noch junge Sängerin vermuten würde. Springs: "Ich bin Old School." (Karl Gedlicka, 28.6.2016)