Für James Ensors "Taufe der Masken" ("Baptême de masques") setzte sich ein Telefonbieter entgegen der Taxe (300.000 bis 500.000 Euro) erst bei 1,02 Millionen Euro durch.

Foto: Dorotheum

Richard Gerstls kleinformatiger und vielfach ausgestellter Obstgarten (Taxe 250.000-500.000) war einem Bieter aus Deutschland rund 668.000 Euro wert.

Foto: Im Kinsky

Laboriert der Kunstmarkt momentan an einer gewissen Trägheit? Am prall gefüllten Terminkalender orientiert müsste man diese Vermutung in Abrede stellen, an den Umsatzzahlen bemessen ist die Diagnose dann allerdings eindeutig. Einerlei ob New York oder London, im Vergleich zu den Vorjahren sind die Einnahmen rückläufig.

Wirtschaftliche und andere Krisen drücken die Stimmung und verschärfen die Situation an der Akquisitionsfront. Denn derzeit scheuen viele das Risiko, ihr Kunstwerk womöglich unter Wert zu "verheizen".

Dementsprechend hat sich etwa auch die Zahl der Hochkaräter der Sparte "Impressionist & Modern Art" dezimiert, die ab 21. Juni in London versteigert werden. Die Abendformation dezimierte sich bei Sotheby's auf 27 Positionen (2015 waren es 50, 2014 immerhin 46), jene bei Kontrahent Christie's auf 35 (2015 waren es 50, 2014 überhaupt 60).

Immerhin gibt es einen gemeinsamen Nenner: Im Windschatten des Weltrekords im November des Vorjahres (Nu couché, 170,4 Mio. Dollar) kommen weitere "Modiglianis" auf den Markt. Bei Sotheby's etwa ein Porträt Jeanne Hébuternes, der Verlobten des Künstlers, die sich nach seinem Tod im achten Monat schwanger aus dem Fenster stürzte.

Im Juni 1986 hatte das Bild bei Christie's in London 1,8 Millionen Pfund (exkl. Aufgeld) eingespielt, nun peilt Sotheby's an die 27 Millionen an. Christie's bäckt hier aktuell kleinere Brötchen und schickt das auf bis zu sieben Millionen Pfund taxierte Bildnis der Ehefrau des Modigliani-Kunsthändlers Zborowski ins Rennen.

Kleinere Brötchen

Abseits des für London traditionellen Millionenstaccatos läuft das Geschäft in ruhigeren Bahnen. Noch, denn mit der Art Basel (16. – 19. Juni) gilt es vor der Sommerpause auf internationaler Ebene einen Saisonhöhepunkt zu zelebrieren.

Derweilen haben sich Käufer aus dem In- und Ausland an aktuell in Wien offerierter Auktionsware bedient. Im Zuge der zweiten großen Auktionssause scheffelte das Dorotheum vergangene Woche einen Gesamtumsatz in der Höhe von rund 19 Millionen Euro. Allerdings lag der Vergleichswert nach sechs Sitzungen 2015 noch bei 21,5 Millionen.

Die größten Einbußen bescherte aktuell die Sparte Juwelen, hier reduzierte sich der Wert im ersten Halbjahr von 4,45 (2015) auf aktuell 2,42 Millionen Euro oder um satte 46 Prozent. Bei Silber schrumpfte der Umsatz um 32 Prozent. Der aktuelle Gewinner hieß "Klassische Moderne", wo mit 4,46 Millionen der höchste Tageswert in der Geschichte des Hauses eingespielt wurde. Auch dank des fantastischen Resultats für James Ensors Maskenbild, das für 1,02 Millionen wohl nach Belgien abgewandert sein dürfte.

Dorotheum

Bei der in zwei Tranchen versteigerten zeitgenössischen Kunst blieb ein Millionenzuschlag hingegen aus. Den höchsten Wert notierte man für Lucio Fontanas in Azurblau gehaltenes Concettio Spaziale, Attesa von 1967/68 bei 735.000 Euro im Bereich der angesetzten Taxe. Immerhin lieferte diese Sparte mit 11,6 Millionen Euro den größten Anteil am Wochenumsatz.

Bei der diese Woche im Kinsky anberaumten Auktion erwies sich die Moderne gleichfalls als Topscorer und steuerte 3,4 der insgesamt 6,4 Umsatzmillionen (exkl. Vorbehaltszuschlägen) bei. Den höchsten Wert bewilligte ein deutscher Telefonbieter, der sich mit 668.000 Euro für einen kleinformatigen Obstgarten von Richard Gerstl durchsetzte.

Bei den Zeitgenossen sorgte Ernst Fuchs für eine Überraschung: Der bemalte Digitaldruck Christus vor Pilatus von 2007 (siehe den Artikel Modernes Malen nach Zahlen) wanderte für 195.300 Euro zum Fuchs'schen Auktionsrekord in die Schweiz ab. (Olga Kronsteiner, 12.6.2016)