Nach Ende des Zweiten Weltkriegs richtete Fotograf Werner Bischof seinen Blick auf den Menschen. Im kriegsversehrten Europa und in Krisengebieten Asiens und Südamerikas.

Foto: Aufschlagseite aus Werner Bischofs "Standpunkt", fotografiert von Heidi Seywald

Ich muss sagen, dass diese Arbeit für mich einen Sinn hat, weil sie nahe mit dem Leben verbunden ist, und dass jeder Tag neue Gedanken, neue Probleme bringt, die einen flexibel halten. Es ist nicht nötig, dass das Sensible verloren geht, aber um diese Dinge zu retten, muss der Mensch zuerst gerettet werden, und wir sind diese 'Aufklärer', die Bausteine, um den Menschen sehend zu machen", notierte Werner Bischof 1951.

Im Auftrag des Life-Magazins hatte der Schweizer Magnum-Fotograf die große Hungersnot in Indien dokumentiert. Auftrag war, die Weltöffentlichkeit zu informieren, wachzurütteln, an ihre Verantwortung zu erinnern. "Die Dramatik des Augenblicks war so stark. Es ist nicht schwer, in diesem Moment gute Bilder zu machen, wenn man einigermassen Gefühl für Komposition hat. (...) Ich konnte dieses Leid nur aufnehmen, weil ich weiss, dass man es hinaustragen muss."

Klar erkennbar wird nicht nur in dieser Serie der Standpunkt eines erklärten und praktizierenden Humanisten. In der anlässlich seines 100. Geburtstages publizierten Monografie wird die Metamorphose eines idealistischen Schöngeistes zum sozial engagierten, gesellschaftlich-politisch verantwortlichen Dokumentaristen nachgezeichnet.

Was Bischof (1916-1954) bewegte, den künstlerischen Elfenbeinturm zu verlassen, erzählen seine Fotografien, Briefe, Skizzen und Collagen. Sein Werk ist beseelt von Integrität und Anteilnahme. Im Mittelpunkt der Mensch, die Conditio humana. Gespenstisch ist, wie wenig sich verändert hat, wie aktuell viele seiner Fotografien wirken. Dennoch sind sie Lichtjahre entfernt vom heutzutage epidemisch grassierenden selbstgerechten, häufig selbstgefälligen Betroffenheitspathos. Posthum würdige Würdigung. (Gregor Auenhammer, 11.6.2016)