Jakob Fugger hatte keine Scheu, die Insignien von Reichtum zur Schau zu stellen. Die Erhebung in den Adelsstand, symbolisiert durch Lilien, war eines seiner Ziele.

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Heute wird die soziale Ader von Fugger gerne betont. Die Fuggerei in Augsburg gilt als der erste soziale Wohnbau.

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Im Fuggerhaus in Schwaz lebte und arbeitete sein Erbe, Neffe Anton.

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Das Haus in der Ludwig-Penz-Straße 21 in Schwaz ist ein typischer Tiroler Edelsitz, an der Wende von der Gotik zur Renaissance. Stattlich ist die Fassade mit den großen Türmen an den Hausecken und den kleinen Erkern. Der Ansitz strahlt Wohlhabenheit aus und ist bei weitem nicht so protzig wie das Ambiente, in dem dem heutige Superreiche leben.

Das Fuggerhaus von Schwaz hat keine Securityschranken, nicht einmal ein kleines Wärterhäuschen zum Schutz vor dem gemeinen Fußvolk war vorgesehen. Es ist ein Haus, das einem Bezirksarzt gehören oder in der eine Pension untergebracht sein könnte.

In Schwaz macht man von den Fuggers, die dem Tiroler Ort den Stempel aufdrückten und die maßgeblich für den Reichtum des Ortes verantwortlich waren, kein großes Aufheben. Heute ist das Haus Sitz der Tertiar-Schulschwestern und nicht einmal von innen zu besichtigen. Im nahen, mittlerweile stillgelegten, Silberbergwerk ist eine vielbesuchte, kindergerechte Erlebnisattraktion untergebracht.

Weltstadt Schwaz

Der Fugger-Clan hielt sich gerne in Schwaz auf, wenn in Tirol Geschäfte zu ordnen waren. Das Silberbergwerk machte Schwaz zeitweise zur größten Bergbaumetropole Mitteleuropas. Glücksritter strömten dorthin; Schwaz wuchs zur zweitgrößten Stadt im habsburgischen Reich an, gleich nach Wien.

Dass der Augsburger Jakob Fugger gerade wiederentdeckt wird, hängt damit zusammen, dass der Reichtum dieses Geschäftsmannes der Frührenaissance alles Vorherige und Nachfolgende in den Schatten stellt. Das Vermögen der US-amerikanischen Superreichen Bill Gates oder Warren Buffett nimmt sich im Verhältnis dazu geradezu mickrig aus – jedenfalls wenn man die Kaufkraft der jeweiligen Zeit zugrunde legt.

Als er starb, hatte Fugger ein Vermögen von gut zwei Millionen Gulden, knapp unter zwei Prozent der damaligen europäischen Wirtschaftsleistung. Das Gesamtvermögen des reichsten Mannes der Jetztzeit, Microsoft-Gründer Gates, wird auf 86 Milliarden Dollar taxiert. Das sind nach Berechnungen der Tageszeitung "Die Welt" 0,5 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung der USA.

Solcher historischer Reichtum kommt in die Debatte um zunehmende Ungleichheiten in den westlichen Gesellschaften gerade recht. Befeuert wird sie durch ein Buch, das in den USA ein Bestseller war und nun in deutscher Sprache vorliegt: "Der reichste Mann der Weltgeschichte. Leben und Werk des Jakob Fugger" (Greg Steinmetz, FinanzBuch-Verlag).

Die Gründe, weshalb ein einfacher Mann innerhalb seines Lebens so unermesslich reich werden konnte, sind vielschichtig. Entscheidend war, dass der Augsburger in einer Zeit des Umbruchs lebte. Die Ständeordnung des Mittelalters verschwand langsam. Die Aufbruchszeit der Renaissance begann, vieles wurde möglich.

Einfacher Bürger

Jakob Fugger begann seine Laufbahn als Angehöriger des einfachen Bürgertums, des dritten und untersten Stands im europäischen Ständesystem. Wenn er vergaß, sich vor einem Baron zu verbeugen, oder auf einer geschäftigen Straße nicht den Weg für einen Ritter freimachte, riskierte er einen Schwerthieb, schreibt Steinmetz.

Dass er 1511 von Kaiser Maximilian I. in den Adelsstand erhoben wurde, ist auch auf die Machtfülle zurückzuführen, die mit dem Anhäufen von Reichtum einhergeht. Und dass ihm seine Schuldner vielfach ausgeliefert waren.

Viele Schattierungen seines beruflichen Profils wirken sehr modern. Jakob Fugger war Handelsmann, Bankier und Industrieller in einem. Er war ein begnadeter Netzwerker, würde man heute sagen. Ehrgeizig schlug er sich bevorzugt auf die Seite der Reichen und Mächtigen. Beim Handel mit Kupfer, Gewürzen, Stoffen hatte er immer wieder Monopolstellungen, die er gnadenlos ausnutzte.

Reich durch den Münzreichen

Richtig zu Geld kam Jakob Fugger als Bankier. So finanzierte er das ausschweifende Leben des Tiroler Erzherzogs Sigismund des Münzreichen. Der Mann mit den hervorstehenden Augen, der langen Nase und den ausgeprägten Hängebacken war Eigentümer der Tiroler Minen. Die Schwazer Bodenschätze hätten Sigismund eigentlich von Geldnot befreien sollen, doch war Maßhalten nicht seine Sache. Er liebte Luxus und lebte ständig über seine Verhältnisse.

Bei der Zusammenarbeit mit Sigismund zeigte sich die wirtschaftliche Genialität Jakob Fuggers. Anstatt für einen Kredit Zinsen einzustreifen, ließ er sich mit Bergbaurechten bezahlen.

Auch die imperialistischen Pläne von Maximilian I. finanzierte er samt den damit zusammenhängenden Hochzeiten und Kriegen. Bei der Wahl Karls V. zum deutschen König war er insofern beteiligt, als Fugger, der nicht umsonst "der Reiche" genannt wurde, die wählenden Kurfürsten bestach.

Bei vielen Geschäften zeigte Fugger erstaunliche Kaltblütigkeit. Nicht selten war er knapp davor, sich zu überheben. Höchstwahrscheinlich finanzierte er Magellans Weltumsegelung – wenn die schiefgegangen wäre, wäre er bankrott gewesen.

Und Fugger war innovativ, was die Werkzeuge betraf, deren er sich bediente. Er war er der erste Kaufmann nördlich der Alpen, der die doppelte Buchführung verwendete. Und er schuf sich ein Netzwerk von Zuträgern und Kurieren, sodass er oft schneller über politische Neuigkeiten oder Gerüchte informiert war als Konkurrenten und Kunden.

Fugger schien jedes Mittel recht gewesen zu sein, um Reichtümer anzuhäufen. Heute würde man sagen, er war ein Workaholic. Als er ein Quasimonopol auf Kupfer besaß, flutete er den Metallmarkt so lange, bis die Konkurrenten geschwächt waren und bankrott gingen.

Würdiges Wohnen in der Fuggerei

Heute ist er vor allem für sein philanthropisches Werk bekannt, insbesondere die Fuggerei, eine Reihenhaussiedlung für sozial Schwache in Augsburg. Der Gebäudekomplex gilt als der erste soziale Wohnbau und ist noch heute als solcher in Verwendung.

Bei diesem Engagement gibt es erstaunliche Parallelen zur Gegenwart. Heute wie damals wird der Superreiche irgendwann zum Philanthropen und betätigt sich gemeinnützig:

Jakob ließ die Häuser ab 1514 errichten. Bestimmt waren die Wohnungen für "würdige Arme", so die Stiftungsurkunde. Bettler durften nicht einziehen, sondern von Armut bedrohte Handwerker und Taglöhner. Bei wirtschaftlicher Erholung mussten sie die Siedlung verlassen. Eine Vorschrift war, dass die Bewohner täglich für ihren Wohltäter beten mussten.

Große Teile dieses Konzepts gelten noch heute. Wer dort leben will, muss Augsburger Bürger, katholischen Glaubens und gut beleumundet sein. Er muss unverschuldet in Not gekommen sein, damit er oder sie für eine Jahreskaltmiete von 88 Cent (nie angehoben!) wohnen darf. Auch die täglichen Gebete gelten noch. Trotzdem ist das Interesse groß: Die Wartezeit auf eine Wohnung kann auch fünf Jahre dauern.

Es könnte sein, dass sich Fugger mit den Sozialbauten einen Platz im Paradies erkaufen wollte. Nach dem Motto: Sicher ist sicher. Denn wahrscheinlich, resümiert Autor Steinmetz in seinem Buch, sei Fugger nicht glücklich gewesen. Sein irdisches Ziel lautete, Geld anzuhäufen. Der Rest war egal. (Johanna Ruzicka, 11.6.2016)