Es fehlte nur noch die medienwirksam zerdrückte Krokodilsträne: Es sei nicht angenehm, Sozialleistungen zusammenzustreichen, sülzte der ÖVP-Politiker Wolfgang Hattmannsdorfer coram publico, doch die Verantwortung für "unsere Landsleute" biete ihm keine andere Wahl: "Wir sind nicht die harten Hunde, die aus Jux und Tollerei kürzen."

Heuchlerei, lass nach, denn natürlich geht es bei der Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte im schwarz-blauen Oberösterreich genau darum: einen demonstrativen Biss ins Wadl jener, die nach gängiger Meinung nicht "unsere Leut'" sind.

Für die ÖVP ist der Beschluss ein moralischer Tiefpunkt. Die angeblich christlich-humanistische Partei biedert sich dem FPÖ-Prinzip, Ausländer zu Bürgern zweiter Klasse zu erklären, an – bis hinauf an die Spitze. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ließ sich nach dem dieswöchigen Ministerrat kein Wort der Distanzierung vom oberösterreichischen Plan entlocken. Offenbar ist ihm alles recht, solange nur irgendwie gekürzt wird.

Dabei wäre die von der ÖVP angezettelte Debatte ohne die ungustiöse Schlagseite an sich legitim. Damit Besserverdienende weiterhin für den Sozialstaat mitzahlen wollen, gilt es auszuschließen, dass schlecht konzipierte Leistungen zum Müßiggang statt zur Arbeit motivieren. Doch die schwarzen Scharfmacher geben auf die richtige Frage die falschen Antworten.

Ja, viele der neu gekommenen Asylberechtigten werden direkt in der Mindestsicherung landen. Angesichts von über 400.000 Arbeitslosen wird das Gros aber nicht an fehlendem Willen scheitern, sondern am Mangel an Deutschkenntnissen, Ausbildung und Jobs. Eine pauschale Kürzung ändert daran nichts, sie greift das Problem nicht an der Wurzel an, sondern hängt es den Leidtragenden um – mit potenziell fatalen Folgen. Wer Ausländer der Gefahr der Verarmung aussetzt, fördert Elendsquartiere und hintertreibt die Integration.

Die Jobmisere spricht auch gegen die von Niederösterreichs Regierung und der Bundes-ÖVP favorisierte Variante, die Mindestsicherung für alle Bezieher mit 1500 Euro zu begrenzen. Ein paar Tachinierer mag es schon geben, denen man auf diese Weise Beine auf dem Weg zum Arbeitsamt machen kann. Doch gleichzeitig kommen jene Familien – derart hohe Leistungen erhalten nur Menschen mit Kindern – zum Handkuss, die Opfer der jahrelangen Wirtschaftsflaute sind.

Es gibt eine gerechtere, weil treffsichere Möglichkeit, die Arbeitsunwilligen in der Masse der Sozialhilfeempfänger zu strafen: indem jene Mechanismen geschärft und ausgebaut werden, die schon jetzt nach geltender Rechtslage Kürzungen vorsehen, wenn sich Bezieher ohne gute Gründe gegen Jobs sträuben. Sanktionen lassen sich auch an Integrationsvereinbarungen koppeln, wie das die vernünftigeren ÖVP-Landeschefs im Westen im Verein mit ihren grünen Regierungspartnern vorexerziert haben.

Dieses Modell, das auf eine faire Vereinbarung über Rechte und Pflichten statt auf einen pauschalen Einschnitt setzt, wäre auch der logische Kompromiss für die Bundesregierung. Kanzler Christian Kern hat die Rutsche gelegt, indem er – wohl zum Schrecken mancher Genossen – wörtlich gegen die "soziale Hängematte" anredete, aus der Drückeberger gebeutelt werden müssten. So viel geballtes Leistungsprinzip sollte auch der ÖVP genügen – sofern es ihr um die Sache geht und nicht nur um plakative Härte. (Gerald John, 15.6.2016)