Praktika: Es geht um den Ausbildungscharakter, nicht um die Aushilfsarbeit

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Von 280.000 Praktikanten pro Jahr geht der Österreichische Gewerkschaftsbund aus. Bestenfalls führt ein Praktikum zum ersten Job oder verschafft wichtige Einblicke und Kontakte in die Branche – schlechtestenfalls nützen Unternehmen Praktikanten als billige Arbeitskraft. Worauf es beim Praktikum ankommt und welche Aufgaben Praktikanten übernehmen dürfen, weiß Stephan Nitzl, Rechtsanwalt und Leiter der Arbeitsrechtspraxis bei DLA Piper Weiss-Tessbach.

Ob ein Praktikum fair oder prekär läuft, darüber entscheide letztlich nicht die "Überschrift auf dem Vertrag", sondern wie es ausgestaltet und entlohnt wird, sagt Nitzl. Der Arbeitsrechtsexperte unterscheidet zwischen zwei Arten von Praktika: Ausbildungs- und Arbeitsverhältnissen. "Erstere müssen auch tatsächlich als Ausbildung ausgestaltet sein", so Nitzl. Beispiele sind Pflichtpraktika, wie sie von Schulen oder Fachhochschulen verlangt werden. "Im Vordergrund steht hier das Lernen und nicht, dass jemand seine Arbeitskraft anbietet", sagt Nitzl. "Somit muss der Praktikant auch nur jene Tätigkeiten erfüllen, die im Lehrplan vorgesehen sind oder die zum Studium passen."

Das geht nicht

So könnten von Praktikanten auch keine außerordentlichen Dienste, zum Beispiel Arbeit am Wochenende, verlangt werden. Die Ausnahme: "Wenn sie etwas mitbekommen sollen, das nur am Wochenende stattfindet – dann werden sie dort auch hingehen müssen", sagt Nitzl. "Das sollte aber die absolute Ausnahme bleiben."

Wie Ausbildungspraktika seien auch sogenannte Volontariate dadurch gekennzeichnet, dass der Volontär zu keiner Leistung verpflichtet ist: "Er kann rechtlich betrachtet kommen und gehen, wann er will, und ist nicht gezwungen, Arbeitsaufträge auszuführen", sagt Nitzl. Laut einer Umfrage der Plattform Unijobs.at liegt die durchschnittliche Arbeitszeit von Praktikanten jedoch bei 7,47 Stunden täglich – jeder Fünfte gibt an, mehr als acht Stunden zu arbeiten; rund vier Prozent sogar mehr als zehn. "Viele müssen zu fixen Zeiten kommen und übernehmen für das Unternehmen wichtige Aufgaben", sagt Barbara Kasper, Bundesjugendsekretärin der Gewerkschaft der Privatangestellten.

Prekäre Praktika melden

Werden Praktikanten wie eine reguläre Arbeitskraft eingesetzt, müsse das Praktikum vertraglich auch als Arbeitsverhältnis festgelegt werden, erklärt Nitzl. Dazu gehöre einerseits eine Entlohnung nach Kollektivvertrag. Andererseits dürften Praktikanten keine Tätigkeiten übernehmen, die nicht ihren fachlichen Qualifikationen entsprechen. "Also kein Kaffeekochen, Dokumente-Ordnen oder Ähnliches."

Wird man doch zum Kaffeekochen verdonnert oder schlecht entlohnt, kann man das auf watchlist-praktikum.at anonym melden. Über 400 ehemalige Praktikanten taten das nach Angaben der Betreiber seit 2014. Eine andere Möglichkeit, wenn arbeitsrechtliche Bestimmungen nicht eingehalten werden: das Unternehmen klagen. Davor würden jedoch die meisten zurückschrecken, sagt Nitzl. "Weil sie sich einen längerfristigen Job erhoffen."

Erste Rückschlüsse auf die Arbeitsbedingungen ließen bereits die Inserate zu, sagt Gewerkschafterin Kasper. Ein schlechtes Zeichen: Es werden klare Arbeitsaufgaben ausgeschrieben, und ein Ausbildungscharakter ist nicht erkennbar. Ebenfalls verdächtig: wenn im Aufgabenprofil administrative Tätigkeiten angeführt sind. Zu Skepsis rät Kasper schließlich auch, wenn ein Studienabschluss oder Praktikumserfahrung Voraussetzungen ist. "Qualifikationen, die wiederum nicht oder nur mit einem Taschengeld entlohnt werden sollen." (lib, 22.06.2016)