"Bei Award-Shows wird gezeigt: Das ist das, was wir könnten, wenn wir dürften, wie wir wollten": Cannes-Juror Lukas Grossebner.

Foto: Merlicek-Grossebner

STANDARD: Was muss eine Kampagne können, um bei Ihnen zu punkten?

Grossebner: Es geht um Relevanz. Für eine Longlist im Direct-Bereich habe ich rund 580 Arbeiten vorjuriert. Da sind einige nette Ideen dabei, die aber null Relevanz für die Marke haben und auch wenig Innovationskraft. Am Ende des Tages muss mich eine Kampagne auf irgendeine Art und Weise abholen oder bewegen. Es gibt Ideen, die sind extrem simpel aber umso schlauer und überraschender.

STANDARD: Beispiele?

Grossebner: Eine Kampagne, von der ich glaube, dass sie dieses Jahr in Cannes erfolgreich sein wird, ist für mich die McWhopper-Kampagne von Burger King. Für Salon Alpin mit der Falter-Kampagne sehe ich Chancen im Craft-Bereich. Das ist einfach gutes Handwerk. Ich fand auch die Getty Images-Kampagne von AlmapBBDO herausragend. Interessant ist, dass in Cannes momentan eine Richtungsänderung stattfindet. Bis zum vergangenen Jahr ging es vor allem um ungewöhnliche Craft-Arbeiten. Jetzt stehen wieder die einfachen Ideen im Vordergrund, die etwas für die Marke machen. Das konnte man ja früher öfter infrage stellen.

STANDARD: 2015 lief es in Cannes für Österreichs Agenturen eher mau. Woran liegt es?

Grossebner: Vier Löwen sind nicht so schlecht. 2014 mit elf Löwen war eine Ausnahme, da haben wir allein schon sieben mit DDB geholt. Wir haben gezielt darauf hingearbeitet, zu zeigen, dass es auch in Österreich möglich ist, international kompetitive Arbeit zu machen. Der Österreicher neigt ja sehr dazu, zu sagen, wir machen unser eigenes Ding. Mit der Begründung, dass die anderen österreichische Werbung sowieso nicht verstehen. Ich habe das nie so gesehen. Für mich gibt es keinen österreichischen Tellerrand. Als ich in der Werbung in Österreich begonnen habe, wurde mir gesagt, dass wir in Cannes nicht gewinnen können, weil die alle gegen uns sind. Das stimmt einfach nicht. Es verlangt einem nur mehr ab, ist viel Fleiß und harte Arbeit.

STANDARD: Bei Awards einzureichen ist aufwändig, kostet viel Geld. Wie wichtig sind Preise für Auftraggeber?

Grossebner: Es gibt Kunden, die freuen sich über Preise. Es gibt aber auch Kunden, denen das völlig egal ist. Preise bringen vor allem der Agentur etwas, nämlich Talente. Junge Leute wollen gutes Zeug machen und sie wollen zu Agenturen, wo sie das tun können, der Maßstab sind nun mal Preise. Leider hat sich unsere Branche in eine falsche Richtung entwickelt, nämlich tagsüber das zu machen, was man machen muss – den Brotjob sozusagen. Und abends dann für die Goldideen und Award-Arbeiten zu arbeiten. Für mich sind Cannes und andere Award-Shows so etwas wie der Genfer Autosalon für die Automobilbranche. Es wird gezeigt: Das ist das, was wir könnten, wenn wir dürften, wie wir wollten.

STANDARD: Wie kann man Fake-Arbeiten von echten Kampagnen unterscheiden?

Grossebner: Gar nicht, das ist auch nicht das Ziel. Aber man merkt, wenn eine Arbeit wirklich groß gelaufen ist. Es gibt natürlich gewisse Agenturen, die ihren Erfolg darauf aufgebaut haben, richtig schlechtes Tagesgeschäft zu machen und dann für erfundene Kunden tolle Kampagnen. Ich benote Arbeiten bewusst besser, die relevant sind für Kunden. Aber ich ignoriere Zahlen bei den Case-Filmen. Die werden doch immer besser dargestellt als sie in Wirklichkeit waren. Man weiß, wie das funktioniert. Und diese Zahlen kann ich als Juror ja auch nicht nachprüfen. Die wirklich guten Agenturen haben es nicht nötig, Fake-Arbeiten einzureichen. Weil sie in ihrem Alltag herausragende Kampagnen für echte Kunden machen.

STANDARD: Sie haben auch eine Zeitlang in Deutschland in der Werbung gearbeitet. Unterschiede zu Österreich?

Grossebner: Die Etats sind natürlich größer, aber sonst sehe ich keine Unterschiede. Ich habe deutsche Werbung auch nie als Vorbild gesehen. Man rennt auch dort ebenso gegen die Kundenunverständnis -Windmühlen und kocht mit dem Selben Wasser, wie wir. (Astrid Ebenführer, 18.6.2016)