So sollte das Heumarkt-Projekt (im Vordergrund der Eislaufplatz im Sommer) nach den Plänen des brasilianischen Architekten Isay Weinfeld aussehen.

Rendering: Weinfeld

Investor Michael Tojner geht in die Offensive: Er lässt die Öffentlichkeit nun wissen, was er konkret rund um sein Projekt "Heumarkt neu" geplant hat – und was die Allgemeinheit davon seiner Lesart zufolge haben wird.

Seine Firma Wertinvest veröffentlicht nicht nur die Wirtschaftlichkeitsberechnung für das Projekt, die bereits vor über einem Jahr den Stadtverantwortlichen präsentiert worden war. Offengelegt werden auch die wesentlichen Verpflichtungen aus dem großteils fertig ausverhandelten städtebaulichen Vertrag, der die Servitute regelt – und ein Kurzgutachten der Ökonomin Agnes Streissler-Führer über den ökonomischen Wert des Projekts für die Region.

Job-Argument

Und der liegt, zusammengefasst, bei 211 Millionen Euro, die privat investiert werden – und laut Streissler-Führer "zu drei Vierteln im Inland bleiben". Zudem rechnet die Ökonomin mit der Schaffung von 4.220 Arbeitsplätzen während der rund drei Jahre dauernden Bauphase. Streissler-Führer: "Wir sprechen von zusätzlichen Jobs, die würden sich zu einem Gutteil aus der Arbeitslosigkeit speisen."

Dies sei ein "sehr hohes Investment in die regionale Wirtschaft" und bringe zudem mit der Sanierung des Eislaufvereins, neuen Sportplätzen und einem ganzjährig "bespielten" öffentlichen Raum einen erheblichen Mehrwert für die Öffentlichkeit, betont Wertinvest-Geschäftsführerin Daniela Enzi. Extra reich werde Investor Tojner mit dem Projekt dagegen nicht, argumentiert sie. Nach der von KPMG geprüften Wirtschaftlichkeitsstudie vom April 2015 würde der "Heumarkt neu" dem Investor sogar derzeit einen Verlust von rund 18 Millionen Euro einbringen.

Bedenk-Argument

Beide Berechnungen im Auftrag der Wertinvest liegen dem STANDARD vor. Diese sind freilich nur relevant, wenn das Projekt, wie geplant, realisiert wird. Genau dort liegt der Haken – DER STANDARD berichtete.

Vor kurzem hat die zuständige Planungsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) dem Projekt rund um die Renovierung und den Ausbau des Hotels Intercontinental beim Wiener Stadtpark eine "Nachdenkpause" verordnet, weil der Fachbeirat "erhebliche Bedenken" dagegen hatte.

Turm-Argument

Stein des Anstoßes war ein 73 Meter hoher Turm, der im rechten Winkel zum (leicht aufgestockten) Hotel gebaut werden sollte – und das auf der städtebaulich heiklen Glacis-Linie. Icomos, jene Agentur, welche die Unesco bei Fragen des Weltkulturerbes berät, hat bereits in einem Rohbericht davor gewarnt, dass Wien wegen der Höhe des Turmes den Welterbe-Status verlieren könnte. Das soll naturgemäß vermieden werden, daher: Nachdenkpause.

Für Investor Tojner, der sich auf einen vier Jahre dauernden Planungsprozess mit einem "kooperativen Verfahren" mit der Stadt und einem internationalen zweistufigen Architekturwettbewerb eingelassen hat, würde ein niedrigerer Wohnturm von etwa 60 Metern, der als "Kompromiss" mit Denkmalschützern und Stadt im Raum steht, einen Verlust von rund 24 Millionen Euro bedeuten. Das Siegerprojekt in der von Architekt Isay Weinfeld konzipierten Form würde laut Wirtschaftlichkeitsstudie ohne Eigenkapitalkosten auf rund 296,7 Millionen Euro Gesamtkosten kommen.

Kosten-Argument

Demgegenüber stünden Erlöse von 278 Millionen Euro. Die ergeben sich aus dem Verkauf von 100 Wohnungen im Luxussegment in der Höhe von 106 Millionen Euro (mit Quadratmeterpreisen von minimal 4.950 bis maximal 17.250 Euro), sowie den Hotel- und Kongresserlösen, gerechnet von der Eröffnung 2021 bis 2029. Auf Basis der Rückflüsse 2030 wurden diese mit einem Kapitalisierungszinssatz von 6,5 Prozent (berechnet auf ewige Rente) angesetzt.

Insgesamt ergäbe sich aber ein Verlust von 18,7 Millionen Euro (Stand April 2015).

Die Schwankungsbreite der Studie liegt in dieser Frühphase des Projekts freilich bei rund 15 bis 20 Prozent, und Tojner hofft nach eigenen Angaben, noch über den Hotel- und Kongressbetrieb mehr Einnahmen hereinzubekommen. Immerhin entstehen laut Plan zwei Tageslicht-Kongresssäle für 700 beziehungsweise 1.000 Personen.

Eislauf-Argument

Die hohen Kosten ergeben sich aus den Verpflichtungen, die Tojner gegenüber der Stadt eingegangen ist. Die Sanierung des Eislaufvereins etwa beläuft sich auf rund 30 Millionen Euro, für den laufenden Betrieb während der Bauarbeiten muss ein Ersatzplatz zur Verfügung gestellt werden. Die Sanierung des traditionsreichen Platzes enthält auch eine ökologische Komponente: So soll die Abwärme, die bei der Vereisung des Platzes entsteht, im Rahmen eines "Green Building"-Konzepts für Hotel und Konzerthaus genützt werden.

99 Jahre lang bekommt der Verein nach jeder Saison eine "Ablöse" für die Überlassung der Eisfläche, die dann zum öffentlichen Flanierraum mit Konzertbühne, Chill-out-Zonen und Grünflächen umgebaut wird. Zusätzlich übernimmt Wertinvest in den ersten vier Jahren die Garantie, jedwedes Minus im Eislaufbetrieb auszugleichen.

Servitut-Argument

Dazu gesellen sich die Verlegung und Gestaltung der Lothringerstraße, um den öffentlichen Bereich zu vergrößern – und der Bau eines Turnsaals, den das Akademische Gymnasium sowie andere Wiener Schulen, aber auch Sportvereine benützen können.

Diese Vorteile für die Öffentlichkeit sollen mit einem städtebaulichen Vertrag, der zum Großteil schon fertig ausgehandelt wurde, sichergestellt und in Form von Servituten über das Grundbuch fixiert werden. Tojner betont seine Bereitschaft, das Projekt nach den Vorgaben der Stadt aufzusetzen: "Wir haben uns schon bisher an alle Vereinbarungen gehalten." Er weise darauf hin, "dass die Angemessenheit eines Turms im Maßstab des Ringturms bereits damals von den Experten festgelegt wurde".

Politisches Argument

Schützenhilfe erhält der Investor nicht ganz zufällig von der Wiener Immobilienwirtschaft, die in einem offenen Brief an Bürgermeister Michael Häupl, Vassilakou und einzelne andere Stadträte in der Vorwoche die Frage stellte: "Soll in Wien gebaut werden oder nicht?" Der Tenor: Die Stadt solle klare Vorgaben geben, sich an diese dann halten und die Planbarkeit für Investoren erleichtern. Die "Nachdenkpause" beim Heumarkt-Projekt sei kontraproduktiv, da das zuständige Planungsressort selbst zugestanden habe, dass in diesem Fall vonseiten des Bauherrn sehr kooperativ und hochprofessionell vorgegangen worden sei.

Auch die Wiener Finanzstadträtin Renate Brauner macht sich gegenüber dem STANDARD für das Projekt stark: "Ich gehe davon aus und dränge auch darauf, dass die jetzige Nachdenkpause konstruktiv genutzt wird." Brauner unterstreicht, wie wichtig Investitionen für die Stadt seien: "Immerhin geht es um tausende von Arbeitsplätzen." Ihr Anliegen sei, gute Rahmenbedingungen für private Investoren zu schaffen: "Das ist gerade in der jetzigen ökonomischen Situation besonders wichtig."

Die Nachdenkpause wird indes bis mindestens September dauern. Dann soll in einem Expertenverfahren unter Einbeziehung des Planungsfachbeirats geklärt sein, was vom ursprünglichen Heumarkt-Projekt noch übrigbleibt. (Petra Stuiber, 22.06.2016)