Sechs Monate sind seit der jüngsten Wahl in Spanien verstrichen. Ein halbes Jahr, in dem die Regierungsgeschäfte weitgehend brachlagen, zumal in einem von der Krise immer noch schwer gezeichneten Land, der immerhin viertgrößten Wirtschaftsnation Europas. Am Sonntag müssen die Spanier nun wieder zur Wahl schreiten, und das nur, weil keiner der egozentrischen Parteiführer den Wandel, den alle immer noch großmundig versprechen, auf die Beine stellen wollte. Beim letzten Urnengang erzielten Volkspartei und Sozialisten, die das Land jahrzehntelang im Wechsel regiert hatten, historisch schlechte Ergebnisse, nahezu gleich stark schnitten die beiden Neuen, die linke Podemos und die liberale Ciudadanos, ab. Seither stockt der politische Prozess – und nichts deutet darauf hin, dass er schnell wieder ins Laufen kommt.

Dabei war der Wählerauftrag 2015 schon unmissverständlich: Wagt Koalitionen, wagt etwas Neues! Stattdessen haben sie Neuwahlen bekommen. Das ist mehr als nur ein abgesagter Wandel, das ist ein politisches Armutszeugnis. Die neuen Mehrheitsverhältnisse im Parlament mögen vertrackt und für die Spanier eine neue Erfahrung sein, aber daran scheitert der Neustart nicht. Der vielzitierte Wandel findet nicht statt, weil die Verantwortlichen bisher aus Eigeninteresse stets eher bereit waren, den Stillstand in Kauf zu nehmen, als zu koalieren.

Der konservative Noch-Premier Mariano Rajoy etwa verkündete, für eine große Koalition bereitzustehen, machte aber keinem unverbrauchten Kandidaten Platz, der diese ermöglicht hätte. Einer Einigung zwischen Sozialisten und Podemos stehen weniger die programmatischen Differenzen als die persönliche Fehde zwischen ihren beiden Chefs im Weg, wie die jüngste TV-Debatte zeigte. Und ob Podemos sich weiterhin überhaupt für sämtliche Regierungsbeteiligungen zu schade ist, bleibt unklar.

Dass sich die neuen Politiker verhalten wie die alten, ist ein trauriger Nebenstrang in diesem tristen Polit-Schauspiel. Noch düsterer ist nur die Aussicht, dass Spanien auch nach dieser Wahl erst recht wieder vor einem Patt stehen könnte. Jeder sechste Spanier ist laut Umfragen noch unentschlossen, ebenso viele zeigen sich wahlmüde nach sechs Monaten, in denen Politiker nur das Vorurteil der machtversessenen Funktionäre bestätigt haben. Viele gaben an, am Sonntag nicht wählen zu wollen. Den Wandel hat inzwischen auch die Bevölkerung aufgegeben. (Anna Giulia Fink, 22.6.2016)