Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser übernimmt die Frauenagenden. Sie fordert flexiblere Arbeitszeitmodelle.

Foto: Regine Hendrich

"Das Thema Einkommenschere wird aber noch viele Frauenministerinnen verschleißen. Nichts ist in der Politik so hart wie Frauenpolitik", sagt Oberhauser.

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STANDARD: Frauen werden öfters Opfer von Hasspostings in sozialen Medien. Das haben auch Sie erfahren. Haben Sie sich eine Bestrafung für die Verfasser gewünscht?

Oberhauser: Ich habe tiefste Beleidigungen bekommen, das geht sehr ins Persönliche. Die Verfasser sind meistens Männer. Wir müssen zeigen, dass man das nicht ungestraft machen kann.

STANDARD: Was stellen Sie sich vor?

Oberhauser: Wir wollen eine Meldestelle einrichten. Hier können sich Betroffene melden, wenn sie sich bedroht fühlen. Die Journalistinnen, die das öffentlich thematisiert haben, zeigen, dass man sich das nicht gefallen lassen muss.

STANDARD: Sind strafrechtliche Konsequenzen angedacht?

Oberhauser: Es gibt bereits strafrechtliche Möglichkeiten, etwa bei Verleumdung, Bedrohung oder Cybermobbing. Für Hasspostings gibt es keinen Tatbestand, hier müssen wir nachjustieren.

STANDARD: Warum sind vor allem Frauen betroffen?

Oberhauser: Frauen sind fünfmal so oft von Gewalt betroffen, im Netz dreimal so oft: Bei Frauen tritt man leichter hin. Bei Ingrid Thurnher ging es nach der TV-Konfrontation mit den Präsidentschaftskandidaten darum, sie zum Schweigen zu bringen. Es war ein Versuch, sie einzuschüchtern.

STANDARD: Die Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen zeigt sich auch bei der Bezahlung. Warum gibt es im Jahr 2016 noch so gravierende Unterschiede?

Oberhauser: In Österreich reden wir wenig über Geld. In Schweden kann man alle Einkommen einsehen – ohne Neiddebatte. Wie viele Frauen wissen, was ihre männlichen Kollegen verdienen? Da sind auch die Betriebsräte gefragt, nachzufragen und zu schauen, wo die Unterschiede liegen. Die Wirtschaftsgespräche mit der Unternehmensführung wären eine Gelegenheit, Einkommensberichte miteinzubeziehen.

STANDARD: Das war auch das Anliegen Ihrer Vorgängerinnen. Österreich ist seit Jahren im EU-Vergleich an vorletzter Stelle. Was tun?

Oberhauser: Das ist völlig unbefriedigend. Frauen sollen ermutigt werden, sich zu trauen, Geld zu fordern. Dazu müssen wir die Einkommen offenlegen. Das Thema Einkommenschere wird aber noch viele Frauenministerinnen verschleißen. Nichts ist in der Politik so hart wie Frauenpolitik.

STANDARD: 50 Prozent aller Frauen arbeiten Teilzeit, das ist der zweithöchste Wert in der EU. Was werden Sie dagegen tun?

Oberhauser: Es haben sich insgesamt die Teilzeitbeschäftigungen vermehrt, weil es weniger Vollzeitstellen gibt – für Frauen und für Männer. Wenn in einer Familie jemand überlegt, Teilzeit zu arbeiten, sei es wegen Kinderbetreuung oder Pflege, ist es die Person, die weniger verdient – und das sind die Frauen. Wir brauchen flexiblere Arbeitszeitmodelle.

STANDARD: Frauen in Teilzeit sind im Alter stärker von Armut bedroht.

Oberhauser: Das ist die größte Aufgabe, darüber aufzuklären. Man kann niemandem vorschreiben, Vollzeit zu arbeiten. Wir haben aber eine lebenslange Durchrechnung bei Pensionen. Wer lange Teilzeit arbeitet, wird es am Ende seines Lebens merken. Die Scheidungsrate ist auch sehr hoch. Keine Frau kann davon ausgehen, dass ihr der Mann in der Pension aushilft. Wirtschaftliche Unabhängigkeit ist für Frauen zentral.

STANDARD: Für viele stellt sich gar nicht die Wahl, weil es zu wenige Kinderbetreuungsplätze gibt.

Oberhauser: Vor allem bei den bis Dreijährigen hängen wir hinten nach. Es gibt nicht nur zu wenige Plätze, es scheitert auch an den Öffnungszeiten. Und Kindergärten dürfen keine Aufbewahrungsstelle sein, sondern sie müssen die erste Bildungseinrichtung sein.

STANDARD: Erleben wir einen Rückschritt bei Frauenrechten?

Oberhauser: Nicht nur bei Frauenrechten, sondern auch beim Frauenbild. Frauen werden ins Familieneck zurückgedrängt. Es beunruhigt mich, wenn 17-jährige Mädchen sagen, sie möchten zu Hause bleiben. Haben wir unseren Töchtern vorgelebt, dass Beruf und Familie nicht vereinbar sind? Und ich mache mir Sorgen, welches Frauenbild konservative Parteien, wie etwa die FPÖ, transportieren.

STANDARD: In Ihrer Partei sollen Kriterien für eine Koalition mit der FPÖ erarbeitet werden. Werden Sie auch Frauenpolitik einbringen?

Oberhauser: Sicher. Es ist ein No-Go, Gender-Budgeting als Genderwahnsinn zu bezeichnen oder Frauenhäuser als Tod jeder Ehe zu verunglimpfen. Es geht auch ganz klar um den Verfassungsbogen, die Frage nach Menschenrechten und den Umgang mit Menschen, die hier Schutz suchen. Es muss auch eine glaubhafte Distanzierung zur NS-Zeit geben. Wenn man dem glauben kann, was beim Knacken der Website Linkedin herausgekommen ist, hatte der Wiener FPÖ Chef Johann Gudenus "HeilHeil" als Passwort.

STANDARD: Sie haben sich jahrelang gewerkschaftlich für Frauenrechte eingesetzt. Haben Sie Kontakte zur autonomen Frauenbewegung?

Oberhauser: Länger als ich im ÖGB mit Frauenrechten befasst war, war ich Chefin des Österreichischen Frauenrings. Eine Frauenministerin ist nur so stark, wie sie sich vernetzt. Es ist extrem wichtig sich hier breit aufzustellen.

STANDARD: Ab 1. Juli sind Sie Frauen- und Gesundheitsministerin. Befürworten Sie den Schwangerschaftsabbruch auf Krankenschein?

Oberhauser: Es ist wichtig, dass in ganz Österreich Abtreibungen durchgeführt werden können, nicht nur in Wien. Für sinnvoller halte ich Aufklärung und kostenfreie Verhütungsmittel – und das ist schon schwierig. Denn im Sozialversicherungsgesetz ist nur die Krankenbehandlung geregelt, wir können nicht einmal Prävention bezahlen.

STANDARD: Was kann man dem antifeministischen Backlash entgegensetzen?

Oberhauser: In gewissen Kreisen war der Feminismus schon immer ein negativ besetztes Wort. Feministinnen waren schon immer Ziel von Angriffen. Mir ist die Einschätzung der Frauenorganisationen wichtig. Ist das Eintreten für Frauenrechte für viele Frauen heute unattraktiv? Wenn ja, warum? Liegt es daran, dass man uns ins keifende Eck gestellt hat? Was erwarten sich Frauen von einer modernen Frauenpolitik? Ich glaube, das größte Manko, das wir derzeit haben, ist, dass sich Frauen am Arbeitsmarkt nicht unterstützt fühlen. (Marie-Theres Egyed, Christine Tragler, 24.6.2016)