Das Castillo de Matrera thront, erhabener denn je, seit über tausend Jahren auf 523 Meter Höhe auf dem Monte Parajete. Das Wahrzeichen des Landstrichs ist seit 1985 staatlich geschütztes Kulturerbe.

Foto: Carquero Arquitectura

Carlos Quevedo Rojas von Carquero Arquitectura aus Cádiz.

Foto: Carquero

Aus der Ferne wirkt er wie ein Flakturm. Noch abschreckender, als ihn sein Erbauer, Umar ibn Hafsun, im Sinn hatte, der im späten 9. Jahrhundert einen blutigen Aufstand gegen die arabische Umayyaden-Dynastie in Al-Andalus führte. Der Guardian nannte den "neobrutalistisch" renovierten Turm des Castillo de Matrera bei Villamartín (Cádiz) gar einen "Frankenstein-Bunker".

"Doch Beton war nicht mit im Spiel, selbst wenn so manches Medium das verbreitete", versichert derjenige, der für eine der umstrittensten Renovierungen Spaniens der vergangenen Jahrzehnte verantwortlich zeichnet: Carlos Quevedo Rojas von Carquero Arquitectura aus Cádiz. Mit seiner gewagten Renovierung goss er Öl in den brennenden Paradigmenstreit zwischen Traditionalisten und Modernisten.

Zudem liegt es schwer im Trend, bei Ruinen fehlende Mauerstücke weiß auszufüllen: "Nun erstrahlt der maurisch-christliche Festungsturm dank Weißkalk-Mörtelmasse wieder in einem Farbton, der ähnlich dem ursprünglichen ist", sagt Quevedo Rojas. "Hierfür hat man Proben der Originalverkleidung analysiert." Die Struktur des Mauerwerks hat man dabei nicht mit Zement, sondern mit originalen Kalksteinbrocken aufgefüllt.

Geschütztes Kulturerbe

So thront das Castillo de Matrera erhabener denn je, aber wie seit über tausend Jahren auf 523 Meter Höhe auf dem Monte Parajete. Das Wahrzeichen des Landstrichs ist seit 1985 staatlich geschütztes Kulturerbe sowie Nationalmonument seit 1949 – und damit für Architekten heikles Terrain.

Einst war es Teil der typischen Grenzbefestigungen aus der arabischen Epoche und auch zur Zeit der einsetzenden Rückeroberung durch die christlichen Heere im hügeligen, dank Stein- und Korkeichen grünen Westandalusien. Der Ursprung der Grenzbefestigungen wird auf das 9. Jahrhundert datiert. Doch zeugt hiervon lediglich die Basis, betont Quevedo Rojas.

Der Hauptteil wurde nach der ersten christlichen Eroberung um 1252 bis 1256 durch Ferdinand III., "El Santo", den Heiligen von Kastilien, errichtet. Sowie nach neuerlichem maurischem Intermezzo unter dessen Nachfolger Alfonso XI., dem Rächer, der das Bollwerk dem Calatrava-Orden überantwortete. Der es nochmals aufstocken ließ, damit es im späten 15. Jahrhundert der wiederholten Belagerung durch das Nasriden-Königreich Granadas standhielt.

"Schwerste strukturelle Schäden"

"Ich fühle mich mit der Matrera-Festung verbunden", sagt der Architekt. Kein Wunder, denn er wurde 1980 im Nachbardorf Prado del Rey geboren. So war das Areal sein Spielplatz, als er ein Bub war. Heute ist er ein auf Renovierung von Kulturerbe spezialisierter Architekt, der in Sevilla, Granada und Venedig studierte. Und in Rom an der La-Sapienza-Universität für drei Jahre Postdoc-Stipendiat war. Eine Phase, die ihn beruflich geprägt stark hat.

Quevedo Rojas tüftelte seit 2011 an der Instandsetzung der Burgruine. Damals beauftragte man ihn seitens der Regionalregierung mit einer ersten Detailstudie zum Status quo – kurzum "schwerste strukturelle Schäden". Zu allem Überfluss war der Turm im April 2013, während auf die Baugenehmigung gewartet wurde, in weiten Teilen eingestürzt.

"Die nördliche Festungsmauer und das Kreuzgewölbe brachen in sich zusammen." Was blieb, waren zwei Mauern mit einer Dicke von knapp drei Metern. Für Quevedo Rojas hieß das: zurück an den Zeichentisch, ehe das Projekt im Dezember 2015 in seine Fertigstellung mündete.

Kritik und Rückendeckung

Die darauffolgende Polemik über den, wie Quevedo Rojas meint, "simplen, minimalistischen Eingriff" in den Festungsturm schmerzte ihn. Konkret, als man Parallelen zu einem Ecce-Homo-Fresko und dessen Restaurierung in Borja zog, die 2012 eine globale Lachnummer lieferte. Als Matrera über Sozialnetzwerke geteilt wurde, wurde auch Quevedo Rojas mit Anrufen und Anfragen bombardiert. "Es waren Meinungen, die sich um die Ästhetik drehten, die ich allesamt respektiere. Auch konstruktive Kritik kam im Rahmen der Kontroverse auf", sagt Quevedo Rojas dankbar. Abseits der medialen Debatte erhielt er auch "Rückendeckung von Kollegen, Historikern und Archäologen weltweit".

Unter die Gürtellinie allerdings schlugen nicht nur die Kreuzritter zum Schutz des Kulturerbes vom Verein Hispania Nostra. Vizepräsident Carlos Morenés sprach gegenüber der Tageszeitung ABC von "einer dementen Renovierung, die das Erbe pervertiert". Die Matrera-Festung sei "ein weißes Monster". Der Architekt hätte sich in Bescheidenheit üben müssen und nicht aus purer Eitelkeit seinen Fingerabdruck ins Panorama setzen sollen. Aber die Arbeiten seien nun irreversibel: "Im Ausland lacht man wieder über uns. Man hält uns wieder für Barbaren."

Amüsanter Zufall

"Viel Spielraum hatte ich nicht", erzählt Quevedo Rojas. Seine Intervention fokussierte sich auf Folgendes: "Stabilität zu geben mittels einer Verschalung und Strebepfeilern." Um dadurch das ursprüngliche Volumen des Turms wiederherzustellen. Was ebenso essenziell war wie die Masse der gegenüberliegenden Wände, um der Struktur nötigen Halt zu geben. Dabei folgte der Architekt, wie er es in Rom gelernt hatte, der Kritischen Schule der Restaurierung, die in Italien um Cesare Brandi (1906-1988) ihre Wurzeln hat.

Wie das andalusische Gesetz zum Kulturerbe festschreibt, muss ersichtlich sein, was Originalstruktur war und ist – und welche Teile instand gesetzt wurden. "Mimetische Renovierungen sind schlichtweg ein Tabu", sagt Quevedo Rojas. Zudem war ein fächerübergreifendes Team von Kunsthistorikern bis hin zu Kulturerbe-Experten im Einsatz: "Aber als Architekt trägt man die Verantwortung und hat das letzte Wort. Stürzt der Turm ein, ist es meine Schuld", weiß er.

Als kurioses Detail des Turms ziert ihn zuoberst ein Mauerelement, das in seiner Form der Landkarte Andalusiens sehr nahekommt. Darauf angesprochen sagt Quevedo Rojas, dass jener Teil original ist, wie auch Fotos vor der Restaurierung zeigen: "Ein amüsanter Zufall, dass ebenjene Form erhalten blieb." Das Plus an Masse ist zudem essenziell, um die eingestürzte Nordwand, deren Innenseite übrigens Fresken zieren, zu tragen.

Ausgleichende Gerechtigkeit

Dass er im Frühjahr mit dem Architizer-A+-Publikumspreis eine der renommiertesten Branchenwürdigungen erhielt, straft seine Kritiker. Quevedo Rojas empfindet diese Lorbeeren durchaus als ausgleichende Gerechtigkeit: "Das Projekt ist rigoros geplant und umgesetzt worden", sagt er – seitens seines Büros, der Baufirmen, aber auch der privaten Besitzer des Matrera-Festungsareals. Letzteres garantierte, dass die Causa – Umweltverträglichkeitsprüfung wegen einer Zufahrtsstraße inklusive – kein Politikum wurde.

Seine Expertise in ebenjener Nische erlaubte es seinem Büro, das er 2005 gegründet hat und das freilich auch Neubauten umsetzt, die Krisenjahre trotz Auftragseinbußen zu überstehen. Auch wenn man in Zeiten der staatlichen Budgetknappheit den Erhalt von Kulturerbe in Spanien, wie übrigens in Griechenland und Italien auch, sträflich vernachlässigte. Es war Quevedo Rojas, der unter anderem mit der Instandsetzung der Stadtmauern im Albaicín Granadas oder des Castillo de Torreparedones (Baena, Córdoba) beauftragt wurde. In Kürze wird auch das Castillo de Morella (Castellón) unter seiner Ägide restauriert werden.

Langsam, aber sicher würden sich auch die empörten Bewohner von Villamartín mit ihrem Wahrzeichen im neuen Gewand anfreunden, ist Quevedo Rojas überzeugt: "Nostalgiker haben natürlich nach wie vor das Panorama der verfallenden Ruine verinnerlicht." Auf der anderen Seite verirren sich nun mehr Architekturinteressierte in das verschlafene Dorf. Davon profitieren alle. (Jan Marot, 26.6.2016)