Das wichtigste Wort kommt auf Englisch über die Lippen: "Healthy! Healthy!", ruft der Verkäufer und fuchtelt wild mit seinen Händen herum, während der Rest des auf Chinesisch Gesagten untergeht. Europäer kommen hierher, um zu schauen oder um Fotos zu machen, gekauft wird wohl selten. Zu exotisch, um nicht zu sagen absonderlich ist die angebotene Ware: Schwalbennester, getrocknete Fischblase, Seegurke und Seepferdchen.

Alles für die Gesundheit – und vor allem für chinesische Klientel. Wer wie hier in der Wing Lok Street schlendert, ist mitten in Hongkong angekommen. Der Streifzug durch das Viertel zeigt zweifelsfrei: Der Tourismus boomt in der mehr als sieben Millionen Einwohner zählenden Stadt – auch wenn es Anfang Mai schon schwül und heiß ist.

Ob als Selfie oder einfach nur die Skyline: Der Blick vom 552 Meter hohen Victoria Peak auf die Stadt ist fast eine Pflicht für jeden Hongkong-Reisenden.
Foto: TUI / Florian Alberts

30 Grad plus und die hohe Luftfeuchtigkeit lassen die Kleidung schnell am Körper kleben, während es durch die Straßenschluchten geht. Alt ist hier, was nicht in den Himmel ragt, scheint es. Wer was gelten will, wohnt möglichst weit oben, erzählt eine Chinesin. Dies sei eine der Möglichkeiten, seinen Reichtum darzustellen. Nicht zuletzt der Wohnraum ist es, der dafür gesorgt hat, dass Hongkong erst kürzlich in einem Ranking als teuerste Stadt der Welt gelistet wurde.

Hausberg mit Ausblick

Wem das nötige Geld für ein Penthouse fehlt, kann zumindest auf die Reichen herunterschauen. Der Victoria Peak, der 552 Meter hohe Hausberg, bietet den perfekten Blick auf Hongkong von ganz oben. Und es gibt dort auch gutes Essen: Mak's Noodle hat hier eines seiner Lokale. Schon der US-amerikanische Koch und Autor Anthony Bourdain schwärmte vom Essen in diesem Lokal.

Derart gestärkt geht's zum Shopping. Während in den Einkaufszentren die übliche Markenware angeboten wird, findet sich Originelleres im PMQ. In dem Gebäudekomplex haben sich junge Designer und Gewerbetreibende eingemietet. Stockwerke hoch reihen sich die kleinen Geschäfte aneinander.

Foto: TUI/Florian Albert

Ein Muss ist auch der Nachtmarkt in der Temple Street. Doch Schnäppchenjagd war gestern, sagt Richard Woss. Der gebürtige Kärntner lebt seit 33 Jahren in der Stadt und ist Managing Director von ATI Travel: "Das Billige gibt es heute kaum mehr. Die Vielfalt und Reichhaltigkeit macht Hongkong aus." Was auch bei den Touristen zieht, sei nach wie vor das "East meets West"-Klischee, und kulinarisch sei die Stadt sowieso hip. Österreichern ist Hongkong allerdings noch fremd. Woss schätzt, dass "vielleicht 30.000 bis 40.000 pro Jahr kommen". Ausbaubar, nennt das der Tourismusfachmann.

Buddha und die Höhenangst

Wozu Reisende noch nach Hongkong kommen? Des umwerfenden Panoramas wegen natürlich: Das gibt es vom Meer aus bei einer Hafenrundfahrt oder – noch bequemer – in einer der vielen Bars in den Höhen der Wolkenkratzer. Das Wooloomooloo in der Nathan Road ist dafür eine gute Adresse. Die offene Terrasse im 21. Stock ist aber nur etwas für Schwindelfreie – doch allein der Blick von der Bar aus sicherer Entfernung ist wunderbar. Hier bietet sich eine der vielen Möglichkeiten, einen perfekten Sundowner zu genießen.

Höhenangst kann sich auch einstellen, wenn man die Ngong-Ping-360-Seilbahn besteigt, um die Tian-Tan-Buddhastatue zu besichtigen, eine 34 Meter hohe Figur, die umgangssprachlich auch "Big Buddha" genannt wird.

Wohnraum ist knapp in Hongkong, die Preise sind dementsprechend.
Foto: TUI/Florian Albert

Kultur ist das eine, Spielfreude das andere. Für Zocker und Glücksritter gibt es hier den passenden Ort, nur ein paar Seemeilen entfernt. Schnell geht es rüber nach Macau. Tragflügelboote bringen die spielfreudige Kundschaft zu den Kasinos in der ehemaligen portugiesischen Kolonie. Auf dem Flughafen Hongkongs muss nicht einmal der Transitbereich verlassen werden, um dorthin zu gelangen.

Venedig, skurril

Auch in Macau gibt es Boote. Gespielt wird rund um die Uhr. Macau hat längst Las Vegas als Spielerparadies überholt. Um dazwischen Luft zu schnappen oder doch auch ein wenig Kultur zu schnuppern, kann die Altstadt besichtigt werden. Sie zählt zum Unceso-Weltkulturerbe. Mittags, wenn sich der private "Clube Militar" auch Nichtmitgliedern öffnet, lässt es sich fein bei Bacalao und Co in exklusiver Atmosphäre dinieren.

Macao will Venedig sein.
Foto: TUI/Florian Albert

Skurriles ist nicht weit: Ein paar Autominuten durch die Stadt, und schon steht man vor Venedig – samt Markusturm. Er ist das äußere Zeichen für Fake-Venedig, den Kasino-Hotel-Komplex The Venetian. Drinnen eine Piazza, der Himmel wird abends gedimmt, ein Kanal darf nicht fehlen. Der asiatische Gondoliere hält das Ruder locker in der Hand, während er mit seinen Passagieren auf dem kleinen Wasserweg dahinschippert. Dass sich diese Gondel mit Elektromotor fortbewegt, ist sowohl dem begehrten Fotoobjekt als auch den Selfiekönigen herzlich egal. Warum auch nicht? Hier ist nichts echt.

Dass in der echten italienischen Stadt nicht alle Gondolieri den ganzen Tag lang singen, bringt Andrina Leong, Public-Relations-Managerin des Hotelbetreibers, kurz aus dem Konzept: "Schaut Venedig nicht wirklich so aus?", fragt sie dann doch ein-, zweimal nach. "Fast", lautet die Antwort. Höflichkeit ist wichtig. Leong gefällt dieses Venedig jedenfalls. Bald kann sie eine andere europäische Metropole kennenlernen. In Macau liegt neben Venedig, nur durch eine Straße getrennt, nämlich Paris. Das Hotel The Parisian, das heuer eröffnen soll, hat selbstverständlich als von weitem sichtbares Zeichen einen Eiffelturm. Auch fast echt – nur bisserl kleiner. (Peter Mayr, RONDO, 1.7.2016)