Detail einer Glasperlenarbeit der 1969 geborenen Liza Lou.

Foto: Dean Elliot

Salzburg – Da muss es doch noch mehr geben, denkt man, während man die Galerie Ropac durchwandert – mehr Farben, mehr Formen. Aber nein: Es finden sich tatsächlich an sämtlichen Wänden des Untergeschoßes dieselben rasterförmig angeordneten Quadrate. Sie bestehen aus einem schmutzig-weißen, beigen oder gelblichen Material, das sich da und dort textilartig wellt. Zum Trocknen aufgehängte Putzfetzen?

Wie so oft im Leben sollte man ein zweites Mal – und inbesondere genauer – hinschauen. Denn die schallplattengroßen Quadrate bestehen aus abertausenden winzigen Perlen, bilden Teppiche, auf denen sich Streifen, Flecken, Muster zeigen. Je weiter man sich vertieft, desto mehr Farbabstufungen tun sich auf. Man beginnt, Verbindungen zwischen den "Zeichen" auf den Teppichen zu suchen, wähnt sich auf den Spuren eines geheimen Morsealphabets.

Meditativ und entschleunigend: die Ausstellung "The Waves" der Künstlerin Liza Lou in der Galerie Ropac in Salzburg.
Foto: Ulrich Ghezzi

The Waves heißt die vierte Ausstellung der US-Amerikanerin Liza Lou (geb. 1969) bei Ropac in Salzburg. Ein Titel, der einen nicht nur an Virginia Woolfs gleichnamigen Roman, sondern auch an Hiroshi Sugimotos Seascapes (ab 1980) erinnern mag: an jene großformatigen Fotos, die der Japaner an verschiedenen Küsten schoss und die allesamt nur Himmel und Wasserfläche zeigen – also vermeintlich nichts. Vermeintlich, denn: Sugimotos Klassiker des Minimalismus ist angetan, den Blick auf ansonsten übersehene Feinheiten wie etwa die Textur der Wasseroberfläche zu lenken.

Eine ganz ähnliche Sensibilisierung des Blicks gelingt Lou. Allein, dass die reichhaltigen Strukturen ihrer "Wellen" nicht auf Naturgesetzen beruhen. Das Farben- und Formenspiel auf den Perlenteppichen der Installation The Waves (2016) hat sich vielmehr durch die Hände ergeben, die diese woben: In Form von Verschmutzung hat sich der langwierige Arbeitsprozess in das Material – die eigentlich einheitlich weißen Perlen – eingeschrieben. Am Werk war dabei nicht bloß die Künstlerin selbst: Die Tücher entstanden im südafrikanischen Durban, wo Lou schon seit 2005 mit Perlenknüpfern der Zulu zusammenarbeitet. Ein Preisgeld hatte sie 2002 genutzt, um an diesem Ort ein Atelier aufzubauen, das nicht zuletzt dem lokalen Sozialleben dienen soll.

Eine Obsession für Perlen hat Lou bereits seit ihren Studientagen in San Francisco. Allerdings wurde ihre Arbeit mit dem als kitschig verschrienen Material damals belächelt. Fast trotzig reagierte Lou mit ihrer Arbeit Kitchen: Zwischen 1991 und 1996 überzog sie eine Küche samt und sonders mit bunten Perlen – von den Pfannen bis ins letzte Winkerl des Backrohrs. Gemeint war die Installation feministisch: Sie sollte übersehenen Haushaltstätigkeiten den Glanz zurückgeben.

Beglitzerte Sinne

Seither realisierte Lou auch politischere Arbeiten, ummantelte etwa Stacheldraht mit Perlen. Von orgiastischen Farbexplosionen, wie sie ihr etwa bei Kitchen vorschwebten, ist Lou eher abgekommen. Einen Nachhall dieser Phase erlebt man jedoch im Obergeschoß bei Ropac: In die monochromen Gemälde der Serie Blue sind glitzernde Glasperlen eingebaut. Diese Sternenhimmel respektive Meeresoberflächen können Vorübergehenden durchaus die Sinne berauschen. Zumal solchen mit sensibilisiertem Blick. (Roman Gerold, 2.7.2016)