Farben, ihre Nuancen und lebendig wirkende Oberflächen haben es der Gestalterin Gesa Hansen angetan. Egal ob es sich um Waschtische für Villeroy & Boch oder ihre Möbelentwürfe handelt.

Foto: Villeroy & Boch AG, Nathalie Mohadjer

Viel Spaß bei der Arbeit hat die in Paris beheimatete Designerin Gesa Hansen.

Foto: Villeroy & Boch AG, Nathalie Mohadjer

Bauhaus trifft Skandinavien trifft gute Laune: Hansens Esstisch verfügt über zwei integrierte Ablagefächer.

Foto: The Hansen Family

Ihr Kasten "Trunk" erinnert an die Koffer des 19. Jahrhunderts.

Foto: The Hansen Family

Gesa Hansens Schreibtisch heimste eine ganze Reihe Preise ein.

Foto: The Hansen Family

Das Waschbecken für Villeroy & Boch gibt es in einer ganzen Menge Farben.

Foto: The Hansen Family

In Sachen Bänkchen ließ sich die Designerin von japanischen Möbeln inspirieren.

Foto: The Hansen Family

Gesa Hansen wartet bereits eine Viertelstunde auf einem Ledersofa in der Bar des Wiener Hotel Hilton. Wer derartig grinst, kann einem die Verspätung allerdings kaum übelnehmen. Die junge Frau wirkt so fröhlich wie eine Figur aus einer Astrid-Lindgren-Geschichte. Eine Mischung aus Pippi Langstrumpf und deren Freundin Annika.

Hansen erhebt sich, nein, es ist eher ein Aufhüpfen, und lässt einen kräftigen Händedruck spüren. Sie lächelt weiter und verwandelt sich bereits nach der ersten Frage in einen erzählerischen Wasserfall. Hansen spricht mit einer derartigen Begeisterung von ihrer Arbeit, dass man in Sachen Aufmerksamkeit einen Gang zulegen muss, um nichts zu verpassen. Dabei ist die Designerin mit deutsch-dänischen Wurzeln um drei in der Früh aufgestanden, um den Flieger von Paris nach Wien zu erwischen. Vielleicht sollte man es ihr gleichtun und einen frisch gepressten Orangensaft bestellen. Kann nicht schaden. Bei dem Tempo.

Nein, Trübsal ist das Ding von Gesa Hansen nicht. Warum auch? Liest man die Geschichten über die 35-Jährige, werden diese in Summe zu einem Bilderbuch. In Paris führt sie erfolgreich ihr eigenes Möbelstudio und firmiert unter dem Namen "The Hansen Family". Sie ist ihre eigene Produzentin, ihre Kunden heißen unter anderem Armani, für den sie Flakons entwickelte, oder Dom Perignon. Beim Champagnerhersteller ist sie seit Jahren als Art-Director für die Kampagnen zuständig. Gesa hat zwei Kinder (wahrscheinlich beides Wonneproppen), geht für ihr Leben gern Wellenreiten, sie tritt immer wieder mit Benjamin Biolay, dem bekannten Chansonsänger und Ex von Chiara Mastroianni, auf, richtet Wohnungen von Schauspielerinnen wie Marina Fois ein und ist mit Catherine Deneuve befreundet. Kleine Draufgabe: Vor kurzem hat sie sich ein Landhaus in der Nähe von Paris zugelegt. Wenn das kein Bilderbuchleben ist! Das Lächeln hat also gute Gründe.

Auch ihre Entwürfe sprechen eine verspielte, warme und freundliche Sprache. Gleichzeitig wirken sie klar und gereift. Ihre Möbel sehen nicht aus, als kämen sie gerade frisch aus der Werkstatt. Sie wirken auch ohne Schrammen und Patina so, als würden sie schon ein Weilchen unter uns sein. Das ist es, wonach Hansen strebt. "Ich will, dass meine Stücke immer schöner werden, möchte, dass sie den Menschen, die sie umgeben, ihren Charakter zeigen, und das über Jahrzehnte. Viele der neuen Materialien, die heute verwendet werden, lassen Möbel gar nicht mehr altern", sagt Hansen.

Zwei Farben Kaffee

Den unterschiedlichen Objekten, die sie entwirft, nähert sie sich über zwei Zugangsweisen. Da ist einmal die Natur, deren sie sich als Ideenspender bedient: Bezüglich ihrer neuen Waschtische für den Hersteller Villeroy & Boch beschäftigte sie sich mit Wasser. Das liegt nahe, denkt sich der Laie, doch interessanterweise sind es vor allem die Nuancen von Farben, die bei diesem Projekt eine Rolle spielen. Dabei hat Wasser im Prinzip doch gar keine Farbe, oder?

"Es ist wie bei Kaffee. Hat man nur ein bisschen davon auf dem Löffel, ist er eher klar, sieht man eine ganze Kanne vor sich stehen, erscheint er rabenschwarz." Die Ergebnisse ihres Farbenspiels sind – inspiriert von den Jahreszeiten – vier lebendige Farbreihen aus jeweils drei Farbtönen. Die Namen der Farben und Becken lauten Mint, Sencha und Cedar, Macaroon, Lemon oder Mustard. Hansen will überzeugen: "Das klingt doch im Falle eines Waschbeckens nachvollziehbarer und schöner als die Bezeichnung 'Tokyo', oder?" Auf jeden Fall. Formal erinnern die Rundungen der Becken an die sanften Kurven von Flusssteinen, welchen das fließende Wasser über lange Zeit ihre Form gab.

Liefert ihr die Natur keine Ideen, wendet sich die Gestalterin der Beschäftigung mit Ritualen zu, stellt sich immer wieder die Frage, wozu ein Objekt benützt wird. Bei einem Kaffeelöffel ging sie vom Gedanken aus, dass ein solcher nicht zum Essen, sondern zum Umrühren zu taugen hat. Im Weiteren kam ihr der Gedanke an eine Schiffsschraube, die sich durchs Wasser wühlt und rührt. Beides, erzählt sie, seien Herangehensweisen, die sie durch ihre Arbeit im Studio des großen Architekten Jean Nouvel gelernt hat.

Auch bei ihren Möbeln spielt das Ritualhafte eine Gestalterrolle. An den meisten Esstischen stört sie, dass man für Töpfe und Pfannen einen Untersetzter braucht. Darum entwarf Hansen, die übrigens auch für das Modelabel Le Mont St. Michel arbeitet, ihren "Dining Table" mit zwei Fächern in der Mitte. Die Deckel für diese praktischen Fächer sind auf der einen Seite aus Holz, auf der anderen aus Schiefer. Einerseits verschwinden sie diskret in der Tischoberfläche, andererseits fungieren sie als Topfuntersetzer.

Ihr charmanter Schreibtisch, eine Hommage an den Gestalter George Nelson, verfügt am oberen Ende über abfallende Fächer. So lässt sich der Tisch im Prinzip mit einer Armbewegung freischieben und Platz schaffen. Dieser ist auf Schreibtischen nicht selten Mangelware. Lässt sich hier eine praktisch-deutsche und vom Studium an der Bauhaus-Universität in Weimar inspirierte Herangehensweise herauslesen?

Bauhaus & Remix

Auf jeden Fall ist Hansens Grunddesign ordentlich skandinavisch angehaucht. Sie arbeitet sehr gern mit Holz und anderen natürlichen Materialien. In Sachen Bauhaus sagt sie: "Mein Vater Hans Hansen, der auch Designer und Möbelhändler ist und inzwischen mit mir zusammenarbeitet, war eher vom Bauhaus der 1920er-Jahre inspiriert. Mein Ding ist das spätere Bauhaus, die Gestalter, die in die USA ausgewandert sind. Dort wurden sie etwas lockerer, vor allem im Umgang mit Farben." Müsste sie ihre Formensprache mit einem Musikstil vergleichen, spricht sie nicht von den Chansons, die sie mit Benjam Biolay auf der Bühne vorträgt, sondern vom System des Remix, also von neuen Aufnahmen eines bereits bestehenden Songs. Diese Grundidee, so sagt sie, gibt ihr Sicherheit beim Entwerfen. Man sieht es ihren Objekten an. Sie wirken selbstsicher und solitär.

Dass sie in die Fußstapfen ihres Vaters tritt, war nicht der Plan. Erst verschlug es sie in die Welt des Grafikdesigns, so lange, bis sie merkte, dass sie auf diesem Gebiet so vieles zu lernen hatte, was sie im Bereich des Möbeldesigns bereits mit der Muttermilch aufgesogen hatte. Also landete sie über einen Ausflug ins Grafische auf dem Feld des Produktdesigns. "Ich hatte einfach das Gefühl, dass alles, was das Design von Objekten betraf, keine Arbeit war, sondern ganz automatisch kam. Vielleicht war ich auch einfach nur ein bisschen faul", erzählt Hansen und wird nicht müde, immer wieder ihren Mentor an der Bauhaus-Universität, Axel Kufus, zu erwähnen, einen Großen des deutschen Designs. Ebenfalls ein Designstern am Firmament der Gesa Hansen: Charlotte Perriand.

Faul ist Gesa Hansen, falls sie es denn je wirklich war, längst nicht mehr. Ganz im Gegenteil: Es ist erstaunlich, wie die junge Frau – Bilderbuch hin oder her – ihren Laden schupft, zwischen Design, Handel, Kindern, Interieurprojekten, dem Singen, dem Surfen, dem Reisen. Auch für Gesa Hansen hat der Tag nur 24 Stunden. "Ich glaube, man muss sich selbst sehr anschieben. Natürlich erzeugt das Druck, aber man kriegt auch so viel zurück, wenn Dinge weitergebracht werden. Es ist eine Art Austausch."

Zur Ruhe kommt sie beim Surfen in Kalifornien, öfter allerdings in Biarritz. In diesen Momenten betrachtet sie das Land von außen und wartet auf die Welle. "Das ist wie im Flugzeug. Man sitzt da oben, schaut hinunter und ist eine Zeitlang nicht Teil dieser Welt. Meine besten Ideen kommen mir im Flugzeug, auf dem Surfbrett oder im Zug. Wahrscheinlich, weil ich dort nicht den Druck der realen Welt verspüre."

Woran sie dort draußen auf dem Meer von Biarritz denkt, während sie auf die nächste Welle wartet? "An den perfekten Stuhl. Der Sessel ist das Objekt, mit welchem der Körper den meisten Kontakt hat, dem man jeden kleinen Fehler anmerkt." Gibt es denn nicht schon genug Stühle? "Es gibt viele Stühle, die ich sehr gut finde, aber ich finde immer etwas, das mich dann doch stört." Bleibt zu hoffen, dass die Welle bald kommt und sich Gesa Hansen wieder an die Arbeit macht. (Michael Hausenblas, RONDO, 8.7.2016)