In Zeiten wie diesen birgt das Wort "Referendum" großes Traumatisierungspotenzial. Doch wenn Viktor Orbán die Ungarn darüber abstimmen lässt, ob sie die von der EU beschlossene verpflichtende Flüchtlingsverteilung akzeptieren, bleiben die Auswirkungen überschaubar.

Das EU-Quotensystem harrt bis heute der konsequenten Umsetzung. Und in Ungarn ist das Referendum lediglich die Fortsetzung einer Antiflüchtlingspolitik, bei der die Regierung bereits im vergangenen Jahr zu unlauteren Mitteln gegriffen hat. Erinnert sei an einen millionenfach verschickten Fragebogen mit Suggestivfragen wie jener, ob die Bürger es nicht besser fänden, ungarische Familien und die "zu gebärenden Kinder" zu unterstützen statt der eingewanderten.

Orbán betreibt weiter sein eigenes fremdenfeindliches Spiel, in dem nur die Regeln gelten, die er selbst aufstellt. Das beweist auch der am Dienstag angekündigte Schritt, Flüchtlinge ohne Verfahren wieder abzuschieben. Die Bevölkerung dankt es ihm mit hohen Zustimmungswerten.

Dankbar muss man ihm aber auch außerhalb Ungarns sein – dafür, dass er das Thema wieder aufs Tapet bringt, das wegen Brexit, Anschlägen in der Türkei und hierzulande wegen einer Wahlwiederholung in der Versenkung verschwand. UNHCR meldet leicht steigende Zahlen auf der Balkanroute. Und in Italien wurden nur unwesentlich weniger Ankünfte registriert als im Rekordjahr 2015. Noch könne man alle versorgen, hieß es aus Rom. Noch. (Kim Son Hoang, 5.7.2016)