Die Autobiografie von Salka Viertel wurde 2010 im Eichborn Verlag neu aufgelegt.

Foto: Eichborn Verlag

Zwei autobiografische Leben im Exil untersucht die Historikerin und Kulturwissenschafterin Katharina Prager: die von Salka Viertel, Schauspielerin und Drehbuchautorin, und ihrem Mann, dem Regisseur Berthold Viertel. Wichtig waren und sind ihr dabei die Geschlechterverhältnisse unter Exilbedingungen. Eine Veranstaltung am Institut für Wissenschaft und Kunst (iwk) letzte Woche widmete sich Fragen zur weiblichen Exilbiographik.

Im Wien der Jahrhundertwende

Salka und Berthold stammen beide aus galizischen jüdischen Elternhäusern, er ist 1885, sie 1889 geboren. Er versucht im Wien der Jahrhundertwende im Umfeld von Karl Kraus ein Leben "jenseits der Sittlichkeitsgrenze" – dabei geht es, so Prager, weniger um "Emanzipation" als um einen "antibürgerlichen Habitus". Er geht eine sogenannte "weiße Ehe" ein, also eine auf dem Papier, um seiner Frau, einer Studentin, unter dem Deckmantel der Ehe die gleichen sexuellen Freiheiten einzuräumen wie ihm selbst.

Salka ist die rebellische älteste Tochter in einer relativ wohlhabenden Familie, sie setzt durch, Schauspielerin zu werden. Für sie gibt Berthold seine Ehe auf – im Fokus der Historikerin Prager steht sodann die Frage, wie sie beide ihr Arbeits- und Familienleben organisieren. Sie gehen nach Deutschland, sind beide berufstätig. Sie als Schauspielerin, er als Regisseur. Allerdings organisiert sie daneben den Alltag und versorgt überwiegend die insgesamt drei gemeinsamen Kinder. Er nimmt sein sexuell freizügiges Leben wieder auf.

Vom "film wife" zur Drehbuchautorin

Durch Migration und Exil – Berthold Viertel folgt einer Einladung des Regisseurs Friedrich Wilhelm Murnau nach Hollywood – wird Salka 1928 erst einmal zum "film wife" degradiert. Sie kann in den USA nicht als Schauspielerin arbeiten. Allerdings wird sie durch einen Kontakt zu Greta Garbo bald zu einer gefragten Drehbuchautorin und erfolgreicher als ihr Mann. Sie unterstützt ihn finanziell, er kommentiert das: "Ich bin dein Gigolo und leiste nichts dafür." Sie trennen sich, bleiben einander aber freundschaftlich verbunden, halten vorerst die Ehe aufrecht.

Erst als er nach Wien zurückgeht, lassen sie sich 1948 scheiden, damit er sich erneut verheiraten kann. Das Nachkriegswien, so Prager, habe sich – was die Emanzipation betrifft – eher zum Nachteil verändert, die Ehe ist ein Zugeständnis an die Konventionen. Die "sexuelle Libertinage" Berthold Viertels habe, so könne zusammenfassend gesagt werden, öfter egoistische als geschlechtergerechte Motive gehabt.

Leben für die Nachwelt

Besonders interessiert Prager, wie unterschiedlich die beiden ihr Leben für die Nachwelt dokumentieren, was also bewusst bewahrt, was zerstört wird. Von ihm stammen die frühesten Dokumente aus der Zeit, als er noch im zarten Alter von 21 Jahren ist: Er führt ein Leben "in Erwartung einer Biografie", ist von der eigenen Bedeutung überzeugt. Sie beginnt ihr biografisches Werk, vorwiegend Korrespondenzen, erst nach seinem Tod 1953, erinnert sich seiner dabei als "Genie". Ihr Nachlass, und das ist bezeichnend, ist seinem heute als "Unterbestand" zugeordnet.

Biografieforschung, so erklärt Prager, bediene sich oft der "Heldengeschichte", die für Frauen nicht passe, weil nicht dieselben "Leistungskategorien" abgefragt werden könnten. Dies solle in der Frauenbiografieforschung vermieden werden. Die angekündigte Fragestellung "Gibt es vergleichbare Aspekte zwischen dem Exil von Frauen in der Periode 1933–1945 und dem Asyl von Frauen heute?" blieb die Veranstaltung am iwk allerdings noch schuldig. (Tanja Paar, 6.7.2016)