Rita Sammer, Studentin der Klasse "Grafik Design", entwirft eine Zukunft, in der Gedanken sichtbar sind: 3D-Drucke aus der Installation "Rita denkt sich eine Tasse".

Foto: Rita Sammer

Wien – Kunst muss, zumindest nach einer der schöneren Auffassungen über sie, Gegenentwürfe schaffen. Sie muss "anders" sein als der Rest der Gesellschaft, indem sie deren Bausteine zu unerhörten Sprachen zusammensetzt. Sie muss sich irren dürfen. Dafür brauchen Künstler Raum – den etwa die Universität für angewandte Kunst Wien ihren Schäfchen bietet. Was aber spielt sich hinter deren Backsteinmauern ab?

Eine mögliche Antwort auf diese Frage gibt die "Angewandte" alljährlich mit einer Leistungsschau namens The Essence. Selbst das "Wesentliche" fällt indes in der Regel sehr umfänglich, ja überbordend aus – bei über 20 Fachbereichen kaum verwunderlich. Untergebracht hat man die Fülle dieses Jahr in der Alten Post unweit des Angewandte-Hauptgebäudes.

Die Entscheidung bringt mit sich, dass die Essence 2016 – zuletzt bespielte man das Künstlerhaus – von einem gewissen Hausbesetzercharme durchweht ist. Die ehemalige Post- und Telegrafendirektion, die bald zum Luxushotel umgebaut werden dürfte, befindet sich in einem Zwischenzustand, der der präsentierten Kunst atmosphärisch entgegenkommt.

Das Vorzeichen bildet ein im Innenhof aufgehängtes Banner mit der Aufschrift "Hoping for Misunderstandings". Den Auftakt zu jenem Rundgang, auf dem sich diese Hoffnung erfüllen soll, macht das Masterstudium Social Design: sich eines Menschenrechts annehmend, zeigt man u. a. Alternativen zur klassischen Wassertoilette.

Wabernde Räume

Kurz verweilt man in einem beunruhigenden, dunklen Salon, den die Film- und Bühnengestalter eingerichtet haben, später versetzt einen die Digitale Kunst in wabernde virtuelle Räume. Zu sehen sind freilich auch Malerei und Fotografie. Auf mediale Reduktion setzt die Sprachkunst.

Manche Präsentationen orientieren sich an einem gemeinsamen Thema, etwa jene der Klasse "Grafik Design". Unter dem Titel "What's Next? – Are you thrilled or frightened?" machte man sich Gedanken, wohin sich die derzeitige Gesellschaft entwickeln könnte. Theresa Scherrer etwa zeigt eine fiktive Zeit im Bild der Zukunft, in der davon die Rede ist, dass 280 Kinder "eliminiert" werden müssen – weil sie als quasi-designte Kinder gegen das "Markenrecht" verstoßen.

Gemeinsam mit Arbeiten zum perfekten menschlichen Roboter oder zu neu entdeckten chemischen Elementen bildet sich hier ein bizarres Panorama der Zukunft ab, in dem auch schwächere Arbeiten gut aufgehoben sind. Es gelingt das schöne Kunststück, das Ganze mehr als die Summe seiner Teile sein zu lassen. (Roman Gerold, 8.7.2016)