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STANDARD: Ein Tag Programmdirektor im ORF – Ihre erste Amtshandlung?

Gröbchen: In kritischem Andenken an Gerd Bacher, der mich einst hochkant aus dem Unternehmen hinausgeworfen hat, eine Rede, in der ich einen "Krawattenerlass 2.0" und einen "Schnulzenerlass 2.0" postuliere. In Ersterem geht es darum, der verzopften Traditions- und Hierarchiefixiertheit des Unternehmens zu entsagen und ORF-Mitarbeiter und -Mitarbeiterinnen anzustacheln, Autorität positiv zu definieren. Auch für sich selbst. Letzterer als Impuls, die "Sachzwänge", das kulturelle Selbstverständnis und die inhaltliche Programmatik eines öffentlich-rechtlichen Senders anno 2016 radikal neu zu denken.

STANDARD: Die Musikquote im Radio ist Ihnen ein Anliegen, der ORF hat da auch nachgebessert. Finden Sie in ausreichendem Ausmaß?

Gröbchen: Nein. Ich kann das sehr präzise begründen und mit Zahlen untermauern, dafür reicht der Platz hier aber nicht. Kurzgefasst: Wer unter Nachbesserung nur Quantität versteht und nicht auch Qualität, Vielfalt, journalistische Aufmerksamkeit, Dialogfähigkeit und ehrliches Interesse an der Kreativszene und Musikwirtschaft, schwindelt sich einmal mehr um das eigentliche Anliegen herum.

STANDARD: Gibt es abseits der Quote weitere Möglichkeiten, wie der ORF österreichische Musik und Musiker fördern kann?

Gröbchen: Sicher doch. Ich will den ORF auch mal verteidigen: Er bemüht sich eh. Per Beteiligung am Österreichischen Musikfonds, bald wieder mit der Ausstrahlung des "Amadeus" samt Features im Vorfeld, mit guten Onlinestorys, in der "ZiB 24", gelegentlich im "Kulturmontag", auf ORF III und, und, und. Und natürlich in den nicht der Formatradio-Doktrin unterworfenen Hörfunkprogrammen. Selbst bei Letzteren flackert da und dort Engagement auf; es wird immer nur rasch als Hörervertreibung denunziert. Mir erscheint das Beiwerk für das Image und Klima wichtig; essenziell ist die Erfüllung des Programmauftrags. Für Musiker und Musikerinnen bedeutet das zuvorderst Airplay, Airplay, Airplay.

STANDARD: Wie zufrieden sind Sie mir dem Radio-Angebot des ORF?

Gröbchen: Eigentlich sehr. Vor allem im Kontrast zum großteils jämmerlichen Angebot der Privatsender, die über weite Strecken nur Ö3 kopieren. Dass Ö3 allerdings mittlerweile auch selbst die Kopisten kopiert, ist eine bittere Fußnote der jüngeren ORF-Geschichte.

STANDARD: Wie sind Sie mit dem Musikangebot und dem Programm von FM4 zufrieden – sehen Sie Verbesserungspotenzial?

Gröbchen: Dass FM4 seinem ganzen Wesen nach unverzichtbar ist für eine moderne, weltoffene, pluralistische Medienlandschaft – weit über das Genre Radio hinaus –, ist evident. Verbesserungspotenzial gibt es immer. Toll fände ich ein zusätzliches grenzüberschreitendes, paneuropäisches Jugendprogramm gemeinsam zum Beispiel mit dem Bayerischen Rundfunk, eventuell im Web oder via DAB.

STANDARD: Was halten Sie von der Idee eines Musikmagazins im TV-Programm des ORF?

Gröbchen: Ein Musikmagazin ist besser als kein Musikmagazin. Zwei Musikmagazine sind besser als eines. Ich weiß schon: Für Programmleute gilt derlei als "Quotengift"; für mich ist das nur eine Frage des Zugangs und des Gestaltungswillens. Zumal Musik – als emotionales Grundnahrungsmittel – ja Platz hat im ORF-Programm. Warum das allerdings vorzugsweise Volkstümelei, Schlager oder wahlweise rituelle Hochkultur aus Grafenegg oder von den Salzburger Festspielen sein müssen und man freiwillig auf die Leuchtfeuer der Popkultur verzichtet, kann ich mir nur mit Verzagtheit in den unteren oder Borniertheit in den oberen Etagen erklären. Und dann wäre da noch das ewige Killerargument Geldmangel.

STANDARD: Was halten Sie von musikalischen Castingshows im Fernsehen?

Gröbchen: Castingshows sind nicht meine Welt. Ich will aber positive Überraschungen nicht kategorisch ausschließen.

STANDARD: Macht es der ORF österreichischen Musikern schwer, in der österreichischen Musiklandschaft Fuß zu fassen?

Gröbchen: Nein. Aber er könnte es – sich und anderen – leichter machen, ein großes Publikum zu erreichen und zu begeistern. Zu allseitigem Vorteil.

STANDARD: Allgemein: Welche Wünsche, Anregungen und Ideen haben Sie, um die Arbeit des ORF in Sachen Musik zu verbessern?

Gröbchen: Es ist ja nicht so, dass ich meine Papp’n nicht aufkrieg’ – ich liefere immer wieder gerne, auch ungefragt, Vorschläge und Anstöße. Manche werden sogar wahrgenommen. Die von mir mitgestaltete Reihe "Live@RKH" im Radiokulturhaus zum Beispiel läuft nun seit über zehn Jahren – mit Erfolg. In der Ära Wrabetz wurde mit dem Einbau eines automatisierten Kamerasystems im großen Sendesaal in der Argentinierstraße ein wichtiger, richtiger Schritt in die multimediale Zukunft getan – wenn jetzt noch ORF III anspringt, könnte mit überschaubaren Mitteln überdimensionale Sinnstiftung entstehen.

STANDARD: Wünsche an den neuen Generaldirektor?

Gröbchen: Nur die besten.

STANDARD: Zurzeit auf Ihrem Plattenspieler?

Gröbchen: Nun, da liegt gerade die Probepressung einer Karl-Ratzer-Compilation auf dem Plattenteller, die alle wesentlichen Stücke seiner Beat/Rock/Funk-Ära versammelt, bevor der legendäre Wiener Gitarrist Mitte der Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts zum Jazz konvertierte. Zeitbezogen ziemlich ungeschliffenes, widerspenstiges, aufregendes Zeug. (Sarah Dorfstätter, 13.7.2016)