Die Meinungen über Handelsabkommen wie TTIP oder Ceta gehen in Österreich weit auseinander. Diese Demonstrantinnen machten im Vorjahr deutlich, was sie befürchten.

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Anna-Maria Hochhauser kam diese Woche nach Brüssel, um mit Experten von Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans über das Projekt "bessere Rechtssetzung" zu verhandeln. So manche EU-Richtlinie schieße über das Ziel hinaus, erklärte die Generalsekretärin der Bundeswirtschaftskammer im STANDARD-Gespräch.

So würden Tischler oder Maler beim EU-Verbraucherschutz wie Haustürverkäufer behandelt. Ein Kunde genieße ein Rücktrittsrecht von 14 Tagen. Erledige ein Handwerker seine Arbeit vor der Frist, vergesse aber, den Wunsch des Kunden zu dokumentieren, könnte es sein, dass er um sein Geld umfalle, wenn der nicht zahle.

So etwas sei absurd, glaubt Hochhauser, es lasse Bürger und Unternehmer am Sinn der EU zweifeln. Die Hauptsorge der Generalsekretärin galt aber weniger dem "Refit"-Programm der EU zur Eindämmung der Regulierungswut, vielmehr treibt sie die unsichere Zukunft des Wirtschaftsstandortes Österreich um.

Wohlstand gefährdet

Ihr Besuch in Brüssel fiel mitten in den angekündigten EU-Austritt Großbritanniens durch die neue Premierministerin Theresa May und eine Verhandlungsrunde von EU und USA um ein Freihandels- und Investitionsabkommen (TTIP). Beides könnte für Österreichs Wirtschaft – und in der Folge für den Wohlstand im Land – sehr negative Folgen haben, warnt Hochhauser. Großbritannien sei der achtwichtigste Handelspartner für Österreich, die Handelsbilanz positiv. 2015 kamen 876.000 Briten als Touristen ins Land, 3,5 Millionen Nächtigungen bedeuteten 639 Millionen Euro Umsatz. Es sei klar, dass allein die Pfundschwäche unmittelbar für Einbrüche sorgen werde.

Aus WKO-Sicht wäre es langfristig vor allem wichtig, dass die EU die Briten als enge offene Partner erhalte – nicht zuletzt, weil die Handelsbeziehung von Deutschland zu London auf Österreich durchschlage: "Davon profitiert indirekt auch der Tischler in Hollabrunn." Die WKO-Generalsekretärin sieht, dass die Eurozone wegen des Brexit bis 2019 einen Wachstumseinbruch von 0,3 bis 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erleiden werde. Sie bedauert, dass solche volkswirtschaftlichen Zusammenhänge in der österreichischen Debatte nicht sachgemäß diskutiert, sondern "parteipolitisch missbraucht" werden.

Ceta und TTIP

Das gelte vor allem bei den geplanten Handelsabkommen mit Kanada und den USA, Ceta und TTIP. "Österreich hat zig Abkommen, die ohne Probleme funktionieren, aber Ceta und TTIP hat man zu einem Politikum gemacht", findet Hochhauser. Von "verschiedenen Seiten her" werde der Kommission unterstellt, dass sie – bei Umweltschutz oder im Sozialbereich – "den eigenen Bürgern Dinge abverlangt, die sie den Amerikanern nicht abverlangt. Warum sollte sie das tun? Das ist unlogisch." Man sollte sich klar darüber sein, "dass sechs von zehn Euro von der exportorientierten Wirtschaft verdient werden", fährt sie fort, "das könnte durch erleichterten Warenhandel noch unterstützt werden. Aber es wird von politischen Gruppen torpediert", empört sich die WKO-Generalsekretärin, "mit unglaublichen Argumenten wie der Warnung vor Chlorhühnern." Vieles an der Debatte erinnere sie "an die Zeit vor dem EU-Beitritt Österreichs 1994, als mit ähnlichen Behauptungen gegen die EU argumentiert wurde".

Hochhauser sähe vor allem die Bundesregierung in der Pflicht, der Kampagne gegen TTIP mit Sachargumenten entgegenzutreten, aber: "Teile der Regierung haben das zu ihrem Programm gemacht. Und das pickt jetzt." Nach Vorstellung der WKO sollte man abwarten, was herauskomme, "sich die Inhalte ansehen und dann eine Entscheidung herbeiführen. Die Politik muss vernünftig sein und auf Basis von Sachargumenten entscheiden."

Hochhauser weiter: "Verhandlungen hat man zu beurteilen, wenn sie abgeschlossen sind, nicht vorher. Genau das ist aber leider passiert." Das sei umso bedauerlicher, als "Österreich eine kleine Volkswirtschaft ist. Wir leben vom Handel, wir brauchen auch den amerikanischen Markt", sagt sie. Es sei auch unsachgemäß, zu behaupten, dass Ceta und TTIP nur den großen Konzernen dienten, direkt wie indirekt profitierten natürlich vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen, die das Rückgrat der Wirtschaft in Österreich bildeten, sowie die Kunden, die gesamte Volkswirtschaft.

Kommunikationsproblem

Hochhauser: "Wir sind offenbar nicht in der Lage, auf einfache Weise zu erklären, was diese Dinge für den einzelnen Österreicher bedeuten." Es werde in der Öffentlichkeit "immer nur das Schlechte an Handelsabkommen betont", nicht aber die Vorteile. – "Es gibt ein Kommunikationsproblem."

Und: "Würde man TTIP nicht zustande bringen, wäre das für Österreich fatal, eine verpasste Chance", prophezeit die WKO-Generalin. Die Folgen: "Keine Beseitigung von Handelshemmnissen, keine erweiterten Absatzmärkte, keine erleichterten Exportmöglichkeiten." Ob es gelingen könnte, "in der entstandenen Emotionalisierung" zu sachlichen objektiven Argumenten in der Debatte zurückzufinden, wisse sie nicht. Probieren müsse man es, "die nationale Regierung hat das zu machen. Sie muss es so tun, dass die Bürger es verstehen", meint Hochhauser, "eigentlich müssten wir eine Infokampagne wie beim EU-Beitritt wiederholen". (Thomas Mayer aus Brüssel, 14.7.2016)