Maximal zwei russische Leichtathletinnen also dürfen nach aktuellem Stand der Dinge im August in Rio an den Olympia-Start gehen, die Weitspringerin Darja Klischina, die in Florida lebt, und 800-Meter-Läuferin Julia Stepanowa, ebenfalls in den USA, aber an einem geheimen Ort daheim. Stepanowa hatte als Whistleblowerin jenen Dopingskandal, der nun alle anderen russischen Leichtathleten die Olympia-Teilnahme kostet, an die Öffentlichkeit gebracht. Verschuldet hat ihn, so berichtete die Weltantidopingagentur (Wada), der russische Staat. 643 positive Proben wurden vertuscht, 312 Sportlerinnen und Sportler vor Dopingsperren bewahrt.

Der oberste Sportgerichtshof (CAS) hat den WadaBericht mit dem abgeschmetterten Einspruch der russischen Leichtathleten bestätigt. Olympia ist erschüttert, schließlich ist die wohl meistbeachtete Sportart der Spiele betroffen. 2012 in London holte Russland acht Leichtathletiktitel, nur die USA (9) waren fleißiger.

Was Restrussland betrifft, hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) in den nächsten Tagen zwei Optionen. Entweder es schließt die Russen in cumulo aus – oder nur in jenen (ungefähr zwanzig) Sommersportarten, die der Wada-Bericht erwähnt. Die zweite Lösung wäre die bessere, sie würde zumindest einigen Unschuldigen in weniger dopingaffinen Disziplinen die Teilnahme ermöglichen. Der Vorwurf einer gewissen Scheinheiligkeit trifft IOC und Dopingjäger ohnehin. Der Wada-Abschlussbericht nannte die Winterspiele 2014 "einen Meilenstein im Kampf gegen Doping". Hätte sich ein Wada-Mensch das Dopinglabor in Sotschi genauer angesehen, so hätte er vielleicht das Loch in der Wand, vielleicht sogar das Hinterzimmer entdeckt, in dem Urin nur so hin und her geleert wurde. In und ab Rio sollten Naivität und Kumpanei endlich ausgedient haben. Mit oder ohne Russland am Start. (Fritz Neumann, 21.7.2016)