Hilflose Mariachi-Sänger und eine hilfsbereite Tierarzthelferin finden in Todd Solondz' "Wiener Dog" ohne Probleme zueinander: auf dem Parkplatz des Lebens.

Foto: Thimfilm

Wien – In jener Episode, in der Danny DeVito einen desillusionierten New Yorker Filmprofessor namens Schmerz spielt, besteht der wichtigste Satz aus nur zwei Wörtern: "What if?" Was käme als Nächstes im Drehbuch, will er seit Jahrzehnten von seinen Studenten wissen, und es gibt keinen Jahrgang, der ihn für diese Frage nicht verachten würde. Schmerzens Leid ist enorm, die Rektorin stellt ihm die Kündigung in Aussicht, sein Agent in Hollywood hat sein mehrfach überarbeitetes Buch selbstverständlich noch nicht gelesen. Doch zum Glück hat Schmerz einen Hund, genauer gesagt einen Dackel, der ihm bei der Lösung seiner Probleme behilflich ist. Wenn es denn eine Lösung wäre.

Unverwechselbar, aber erstaunlich zahm

Todd Solondz machte sich in den späten Neunzigern mit seinen schwarzen Komödien Welcome to the Dollhouse und Happiness einen Namen als junger Independent-Regisseur, der mit seinen Erzählungen in die offenen Wunden der Einsamen, deren Einsamkeit darin besteht, dass sie jeden Tag unter uns leben müssen, noch eine gehörige Portion Salz schüttete. Man brauchte in Happiness nur den unvergesslichen Philip Seymour Hoffman beim Telefonsex schwitzen sehen, und man wusste, wie Glück und Obsession zusammenfallen.

IFC Films

Wiener Dog ist in diesem Sinn ebenfalls unverwechselbar. Und doch ist Solondz' jüngste Arbeit von erstaunlicher Zahmheit. Die menschlichen Abgründe, die Solondz mal als subversive, mal als offene Provokation aufbereitete, als einen Blick in die US-amerikanische Vorstadtseele voller Gewalt, Missbrauch, Perversion und Selbstdemütigung, scheinen in den letzten Jahren weniger tief. Oder eben ausreichend erforscht.

Klassischer Episodenfilm

Wiener Dog ist ein beinahe klassischer Episodenfilm, dessen vier Erzählungen lose, aber nicht konsequent miteinander verknüpft sind. Und zwar mittels eines Dackels, dessen Leben mit dem seiner Besitzer einhergeht: vom tröstlichen Geschenk für einen kranken Buben über das Sorgenkind einer Tierarzthelferin (Greta Gerwig als erwachsene Dawn Wiener aus Dollhouse) bis zum treuen Begleiter einer alten Dame (Ellen Burstyn), die von ihrer Enkelin nur in Geldnöten besucht wird.

Es ist der Gedanke dieses "What if", den Solondz auf den gesamten Film überträgt und der zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen führt, etwa wenn das hohe Alter als Tagtraum vor Augen geführt bekommt, welche unterschiedlichen Lebenswege es hätte einschlagen können.

Hund bleibt Hund

Doch von solchen Momenten abgesehen, verharrt Solondz zumeist in der Plakativität, vertraut eher der Karikatur als der Charakterzeichnung. Stets möchte man hinter die Fassade blicken, möchte an diesen Leben – mithin ihren kleinen Freuden und großen Enttäuschungen – teilhaben. Doch das verlangt nach einer Empathie, die Solondz im Gegensatz zu früheren Arbeiten verwehrt. Der Hund bleibt Hund, der Mensch wird zum Insekt. (Michael Pekler, 25.7.2016)