Traudel Pichler brachte in ihren abstrakten Gemälden die Welt in Fluss: "Sommerliche Landschaft", 1983.

Foto: Sammlung Hainz

Wien – Mit aufgewühltem Strich übersetzte die Wiener Künstlerin Traudel Pichler (1941-2002) die Welt um sich herum in malerische Rätsel. Landschaften oder Gesichter verwandelten sich unter ihren dynamischen Gesten in körperlich-pastose, oft kaleidoskopartige, vieldeutige Kippbilder.

Das "Philosophieren mit Farbe" an sich, die Reflexion des Malvorgangs, schien Pichler dabei schon zu genügen. Soll heißen: Sie legte es nicht darauf an, am Kunstmarkt zu reüssieren, der ihr verhasst war. Die wenigsten ihrer abstrakten Gemälde sind datiert oder signiert. Mit ebenso beeindruckender wie beklemmender Konsequenz respektive Sturheit blieb die Künstlerin zeitlebens im Hintergrund des öffentlichen Kunstgeschehens. Auch deshalb, weil sie "nicht von der Kunst leben musste", wie der Sammler Bernhard Hainz sagt, der etliche Bilder Pichlers kaufte.

In sanftem Tageslicht

Denn: So wenig bekannt Pichler heute in der Öffentlichkeit ist, so gut kennt man sie an der Akademie der bildenden Künste Wien. Pichler studierte nicht nur im Haus am Schillerplatz und wurde 1969 die Assistentin Maximilian Melchers. Sie wirkte später auch als Lehrende auf die Laufbahnen von Künstlern wie Siegfried Anzinger, Esther Stocker oder Gunter Damisch ein. Dessen Assistentin war sie zuletzt – und nicht zuletzt ihm, der im April 2016 verstarb, ist das Konzept jener Ausstellung in der Akademie zu verdanken, mit der Pichlers Werk jetzt eine schöne Würdigung erfährt.

Die von sanftem Tageslicht durchflutete Aula erweist sich als denkbar geeigneter Ort, um in den Kosmos Pichlers einzutauchen, der hier mit Werken aus der Hauptphase zwischen 1985 und 2002 vertreten ist.

Immer wieder mag man dabei rätseln, was sich hinter den abstrakten, oft unbetitelten Gemälden verbirgt. Ein Seerosenteich? Ein Akt? Ein Stillleben? Wenn man sich täuscht, ist es indes vielleicht umso besser: Pichler soll eine diebische Freude daran gehabt haben, wenn Betrachter sich irrten. (Roman Gerold, 25.7.2016)