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Der Orang-Utan Rocky aus dem Zoo von Indianapolis ist in der Lage, seine Stimme zu kontrollieren.

Foto: Indianapolis Zoo

Durham/Leipzig – Mit erlernten Handzeichen können sie zwar durchaus kommunizieren, doch was Lautäußerungen betrifft, galten unsere nächsten Verwandten, die Menschenaffen, bisher als nicht allzu begabt. Bei der Suche nach den Ursprüngen der menschlichen Fähigkeit zu sprechen spielten sie daher keine große Rolle. Dies könnte sich nun allerdings ändern, denn Wissenschaftern unter der Leitung der Durham University in Großbritannien ist es gelungen, einem Orang-Utan etwas Ähnliches wie Sprache beizubringen: In einem Imitiationsspiel schaffte es der Orang-Utan Rocky, Tonhöhe und Tonfall von vokalähnlichen Rufen einer Forscherin nachzuahmen. Die Entdeckung zeigt, dass Orang-Utans die Möglichkeit haben, ihre Stimme zu kontrollieren.

Während der Studie, die im April und Mai 2012 in Rockys Heimatzoo in Indianapolis in den USA durchgeführt wurde, äußerte eine Forscherin beliebige Laute und variierte dabei Tonfall oder Tonhöhe ihrer Stimme. Rocky ahmte diese Laute nach. Anschließend verglichen die Forscher Rockys Lautäußerungen mit den Orang-Utan-Rufen aus der größten verfügbaren Datenbank, die Rufe von mehr als 120 Orang-Utans aus 15 frei oder in menschlicher Obhut lebenden Populationen aus insgesamt etwa 12.000 Stunden Beobachtungszeit enthält. Dabei stellten sie fest, dass sich Rockys Laute von denen in der Datenbank unterschieden. Er war also dazu in der Lange, neue Laute zu lernen und dafür auch seine Stimme während einer "Konversation" zu kontrollieren.

"Wie sich die gesprochene Sprache aus den Kommunikationssystemen der Vorfahren der Menschenaffen entwickelt hat, ist noch unklar", sagt Erstautor Adriano Lameira, der seit 2015 in der Abteilung für Anthropologie an der Durham University forscht. "Bisher ging man davon aus, dass Menschenaffen keine neuen Laute lernen können, sondern dass ihre Lautäußerungen von einem Affekt gesteuert werden, den sie nicht kontrollieren können. Unsere Forschung belegt jetzt aber, dass Orang-Utans ihre Stimme beherrschen können.

Parallelen zur menschlichen Sprachentwicklung

Das zeigt auch, dass die Kontrolle der Menschen über ihre Stimme von Vorfahren stammen könnte, die bereits über eine ähnliche Stimmbeherrschung verfügten, wie sie jetzt bei Rocky nachgewiesen werden konnte. Möglicherweise sind auch andere Menschenaffen dazu in der Lage. "Wir könnten bald mehr über die stimmlichen Eigenschaften unserer Vorfahren erfahren", so Lameira, "die zu einer Zeit lebten, bevor sich die Abstammungslinien von Orang-Utans und Menschen trennten. Wir hoffen herauszufinden, wie sich dieses Vokalsystem zur menschlichen Sprache entwickelt hat."

"Dass Rocky eine nicht artspezifische Lautäußerung gelernt hat und er Laute nachahmen kann, verrät uns auch, wie flexibel und komplex das Kommunikationssystem der Menschenaffen ist und welche Rolle stimmliche Kommunikation in ihrem Alltag spielt", sagt Koautor Alexander Mielke vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. Mielke war an der automatischen Stimmanalyse von Rockys Rufen beteiligt und bestimmte, wie genau sie der Modellvokalisierung glichen. Dazu passte er eine automatische Stimmerkennungssoftware an, die er ursprünglich für die Bestimmung der Rufe von Diademmeerkatzen, einer anderen Primatenart, entwickelt hatte.

Die im Fachjournal "Scientific Reports" veröffentlichte Studie basiert auf einer früheren Untersuchung unter der Leitung von Lameira, während er an der Universität Amsterdam forschte. In jener Studie vom Jänner 2015 berichteten die Autoren über den weiblichen Orang-Utan Tilda aus dem Kölner Zoo. Die Orang-Utan-Dame produzierte Rufe, die menschlichen Konsonanten und Vokalen ähnelten. Die Rufe erfolgten im selben Rhythmus und Tempo, wie sie für die menschliche Sprache typisch sind. (red, 1.8.2016)