Pannonischer Urlaubsspaß: Der Landeshauptmann hat ein Pokémon erwischt. Landesrätin Astrid Eisenkopf freut sich mit ihm.

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Anno dazumal: Fred Sinowatz erläuterte im Pressefoyer den Zuschnitt der Welt.

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Die pannonische Politik macht, im Gegensatz zum turbulenten Drunter-und-drüber-Jahr 2015, gerade Sommerpause. Nicht lückenlos, klar. Denn welche Katze ließe schon zur Gänze das Mausen? Aber es ist doch so merkbar ruhiger geworden, dass sich annehmen ließe, die Protagonisten seien dann erholt genug, um sich im Herbst mit hoher Schaffenskraft – und nicht bloß mit Feuereifer – ans Werk zu machen.

Konträr zur frommen Denkungsart der Heinzelmännchen und -frauen sind Politiker und Politikerinnen ja im Schnitt nicht zu träge, sondern weitaus zu emsig. Und Emsigkeit – der ostentative Tuismus, das penetrante Schauschaffen – ist immer ein Warnzeichen, im politischen Zusammenhang oft sogar ein Alarmsignal. Die Emsigen sind zumeist ja auch die Aufgeregten, die Fahrigen, die Zappelphilippe und Zappelphilippinnen. Da wird Arbeit nicht erledigt, sondern simuliert. Da geht es nicht darum, etwas auf Schiene zu bringen. Sondern bloß aufs Tapet.

Buckelfünferln

Solche Leute kennt jeder eh aus der eigenen Bürogemeinschaft, den Sitzungen, den Brainstorm-Runden, den Klausuren: Gott möge uns hüten vor den Patschachtern, wenn sie siebeng’scheit werden. Es sind diese Neunmalklugen, die dann aber auch am ehesten zum Buckelfünferln geschickt werden.

So geschieht es etwa zum großen Teil mit den sogenannten Entschließungsanträgen der Landtage, die da vollmundig den Nationalrat oder die Bundesregierung auffordern, im Bund möge man das und das beschließen, tun oder ja nicht lassen. Worauf aber im Bund sich meistens die Ansicht durchsetzt, man möge ihm doch bitte den Buckel hinunterrutschen. Entschließungsanträge aber sind andererseits wahre Arbeitszeitfresser im landtägigen Umfeld.

Das besprochene Sackerl

Zugleich sind sie aber auch die großen Bluffer. Sie simulieren emsige Tätigkeit bei höchstwahrscheinlicher Missratensgarantie. Sie sind das formaldemokratische Pendant zu jenem Sackerl, in das hinein einer reden soll, um es dann vor die Tür zu stellen.

Das ist reichlich kompliziert noch dazu, weil die Entschließung, den aktenläufigen Amtswegen und Zuständigkeiten folgend, quasi mit der Kirche ums Kreuz fährt. Am 9. Juli hat zum Beispiel – wirklich nur zum Beispiel – der burgenländische Landtag Folgendes beschlossen: "Die Landesregierung möge sich bei der Bundesregierung dafür einsetzen, dahingehend auf allen Ebenen der EU einzuwirken, die Verhandlungen zu TTIP und TiSA unverzüglich abzubrechen und Ceta im Europäischen Rat nicht zu beschließen."

Nicht dass dies kein berechtigtes Anliegen wäre. Aber.

Geschlagener Schaum

Aber die Gefahr, solcherart eher Schaum zu schlagen als Nägel mit Köpfen zu machen, ist unübersehbar. Auch Themen, bei denen unmittelbar der Hut brennt, lassen sich dadurch leicht verkasperln. Das Burgenland läuft regierungsseitig Gefahr, das beim zurzeit wohl dringlichsten Problem zu machen. Die Arbeitslosigkeit ist auch im Juli wieder leicht – um 0,9 Prozent – gestiegen. 9000 Menschen suchen im Burgenland einen Job. Und das, obwohl 105.000 Menschen unselbstständig beschäftigt sind, so viel wie noch nie zuvor im Burgenland. Das ist keine pannonische Besonderheit, in Wien (+3,2 Prozent), Niederösterreich (+2,4) und Oberösterreich (+1,0) ist die Lage am Arbeitsmarkt noch gespannter.

Dass der Politik, auch der Landespolitik, eine solche Situation nicht egal sein kann, ist klar. Rot-Blau nutzt diese Lage freilich auch – so manchen beschleicht der Eindruck: vor allem – dazu, das Ressentiment zu schüren gegen die grundsätzliche Offenheit der Grenze. Grenzpendler und hereinarbeitende Unternehmen eignen sich hervorragend zum Sündenbock. Und da die Landesregierung für die diesbezügliche europäische Freizügigkeit nichts kann, eignet sich die traurige – ja verheerende – Lage am Arbeitsmarkt auch fürs Entschließen und ihre engere Verwandtschaft, das Matschkern.

Grundrechnungsarten

Rund 20.000 Grenzpendler arbeiten im Burgenland, aus Kroatien erwartet man nach dem Schengenbeitritt 10.000 weitere. Das verlockt zu den so eingängigen Grundrechnungsarten. Soziallandesrat Norbert Darabos rechnet solcherart die 2500 arbeitslosen Bauarbeiter mit den 2500 ungarischen Bauarbeitern im Burgenland gegen. Und schon läge auch die von Arbeiterkammer und Gewerkschaft goutierte Lösung so nahe: sektorale Schließung des Arbeitsmarktes für einpendelnde Arbeitnehmer als Teil des Kampfes gegen Lohn- und Sozialdumping.

Ganz so einfach freilich wird die Angelegenheit, die nach einer Entschließung richtiggehend schrie, nicht. Denn solche einschneidende Maßnahmen würden ja wohl ähnliche Reaktionen auf der anderen Grenzseite provozieren. Und die Vorstellung, die Slowakei könnte vergleichbare Hürden errichten für Wohnsitzösterreicher, will man sich zum Beispiel in Kittsee nicht einmal vorstellen.

Erbsenzählerei

Anders als in den Grundrechnungsarten darstellbar, haben sich nämlich das Leben und der Alltag über die offene Grenze hinweg ineinander verwoben. Das zeigt sich gerade jetzt, da die Grenze wieder strenger kontrolliert wird. Das ungewohnt gewordene Schurigeln an der Staatsgrenze ist Tagesgespräch auch in Eisenstadt und anderswo im Land. Arbeiter kommen zu spät, die Anfahrt zum nächsten Zahnarzttermin muss zeitlich flexibler geplant werden. Längst hat man sich ja auch schon hin- und herliiert. Rainer Bierbaumer etwa, der Polizeikommandant des Bezirks Neusiedl, erzählt gerne, dass er als Wohnsitz-Pressburger auch zu einem Grenzpendler geworden ist. Und er ist da keineswegs der einzige. Die Liebe schert sich reichlich wenig um politische Erbsenzählerei.

Das Leben an der Grenze darf man sich durchaus so vorstellen wie eine Dosenpyramide. Nimmt man eine Konserve heraus, weil das kleine Einmaleins es einem nahe legt, braucht man schon sehr viel Glück, dass das Ganze stehen bleibt. Es ist nämlich alles – jawohl: kompliziert.

Nachbetrachtungen

Und weil eh Sommer ist und weil heuer auch Muße genug wäre und weil es selbst dem Emsigsten nicht schaden kann, kurz ins Nachdenkliche zu schlittern, sei hier einmal der O-Ton des pannonischen Bundeskanzler zitiert. Das hat sich nicht nur der 2008 verstorbene Fred Sinowatz verdient. Sondern mehr noch die aktuelle Lage.

"Ich weiß schon, meine Damen und Herren, das alles ist sehr kompliziert. So wie diese Welt, in der wir leben und handeln, und die Gesellschaft, in der wir uns entfalten wollen. Haben wir daher den Mut, mehr als bisher auf diese Kompliziertheit hinzuweisen; zuzugeben, dass es perfekte Lösungen für alles und für jeden in einer pluralistischen Demokratie gar nicht geben kann."

Selbstgerechter Immobilismus

Das Zitat stammt aus der Regierungserklärung 1983. Der burgenländische Kanzler stand einer rot-blauen Bundesregierung vor. Und sprach, als meinte er uns heute: "Wir haben in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass es immer leichter wird, etwas zu verhindern, und immer schwerer, etwas zu verwirklichen. Wir sollten deshalb mit aller Kraft ausbrechen aus einer Situation des selbstgerechten Immobilismus, des destruktiven Negativismus und des sterilen Kulturpessimismus. Wir sagen Nein zu einer Haltung des Kleinmuts, des bloßen Neinsagens und der Ängstlichkeit."

Und weiter: "Helfen wir mit, dass die simplen Denkmuster in der Politik überwunden werden können und dass wir die notwendigen Auseinandersetzungen für einen demokratischen Willensbildungsprozess ohne Herabwürdigung der Politik führen können."

Was wurde da nicht gelacht über den manchmal so patscherten, pausbäckigen, pummeligen Pannonier! (Wolfgang Weisgram, 3.8.2016)