Bei der Premiere waren auch einige Kirchenherren, um Jesus (Boris Grappe) und die Tödin (Ursula Hesse von den Steinen) zu hören.

CS, Ferdinand Neumüller

Ossiach – Sühneprozessionen, Unterschriftenlisten, Morddrohungen: Es war schier die Hölle los, als vor 37 Jahren Gottfried von Einems Kirchenoper Jesu Hochzeit als Auftragswerk des Carinthischen Sommers (CS) in der Stiftskirche Ossiach uraufgeführt werden sollte. Einem (1918-1996), barocken Oratorien ebenso verpflichtet wie der Tradition katholischer Mystiker, hatte jeder Figur einen eigenen Toncharakter zugeordnet und sein Opus 52 als eines seiner wichtigsten erachtet. "Die Ingrisch hat die Oper von Einem ruiniert, hat es geheißen. Aber Gottfried hat mir nie einen Vorwurf gemacht", erinnert sich Einems 86-jährige Witwe, die Librettistin Lotte Ingrisch.

Zwar kannte kaum jemand ihr (sehr poetisches, aus eigenen und Bibelversen, Augustinus- und Nestroy-Zitaten kompiliertes) Libretto. Doch schon der nach Augustinus gewählte Titel war ein Skandal. Womöglich ein körperlich liebender Jesus in der Stiftskirche? Blasphemie! Die Uraufführung fand schließlich – neuerlich von Protestmärschen und Stinkbomben begleitet – 1980 im Theater an der Wien statt. Hannover und Mainz waren weitere Stationen, dann verschwand Einems sechste Oper in der Versenkung.

Dass CS-Intendant Holger Beck für seine erste Saison just diese skandalisierte Oper (in Kooperation mit dem Stadttheater Klagenfurt) wieder ausgegraben hat, ist späte Genugtuung für Ingrisch. Selbst wenn Jesu Hochzeit auch 2016 (noch immer) nicht im Stift stattfinden darf, aber immerhin schon im Stiftshof: vielleicht sowieso der purere Ort für dieses in Dur-Moll-Mischungen gehaltene tonale Spiel um Lieben und Tod.

Licht und Finsternis

Zur Premiere fanden sich jedenfalls auch einige Kirchenherren ein, lauschten zunächst der Einführung des Theologen und Therapeuten Arnold Mettnitzer, der ihnen sanft die Leviten las und vor verschlossenen Kirchentüren warnte, und spendeten am Ende geradezu begeistert – und erleichtert – Applaus: Denn, nein, die Oper handelt ja gar nicht von der sexuellen Vereinigung Jesu mit einer Frau, sondern von der Vermählung der Gegensätze Licht und Finsternis, Tod und Leben.

Bis auf wenige alberne Einfälle – Josef schleppt etwas ratlos einen Opferlamm-Ölschinken an, der Engel (Marcel Beekman) nimmt zum Abschied den Hut, auch Maria trägt nach der Kreuzigung ihr Binkerl – inszeniert Nicola Raab erfreulich spröd und schnörkellos diese Geschichte von der Vereinigung Jesu, Archetypus der Liebe, mit der Tödin, Inbegriff der Finsternis. "Jesus küsst die Tödin, um die Menschen von Blindheit und der Angst vor dem Tod zu heilen", gab Mettnitzer den Gästen mit auf den Weg in den Stiftshof. Dort erwartete sie das Kärntner Sinfonieorchester und eine lange, mit Papier (Heiligen Schriften? Apostelbriefen?) übersäte massive Tafel, die später auch das von Jesus zu tragende Kreuz versinnbildlichen wird. Zunächst aber nehmen Maria – Fredrika Brillembourg kämpfte mit der Open-Air-Akustik und schwächelte mitunter in den tieferen Lagen – und Josef (Dan Paul Dumitrescu) Platz.

Gott oder Zufall

Auch Dirigent Jonathan Stockhammer lümmelt anfangs noch lässig am Tisch, wenn er Maria Magdalenas Eingangsfrage "Gibt es Gott? Oder hat uns der Zufall erschaffen?" auf der E-Gitarre begleitet. Bariton Boris Grappe beobachtet als Jesus vorerst wie ein von den Eltern tierisch gelangweilter Pubertärer, wie Maria und Josef die Vaterschaft klären. Später wird er sein Kreuz – und sein Viertonmotiv – bravourös bis nach Golgatha tragen. Dazwischen heilt er Lazarus (Julia Koci) und bekehrt küssend die Sünderin Maria Magdalena (Annette Schönmüller).

Im Hintergrund brennt der Dornbusch, ein Devotionalientischchen steht im Verborgenen, aus dem immer wieder der stimmstarke Chor des Stadttheaters Klagenfurt auftaucht. Die Kostüme sind Alltagskluft, die Tödin trägt Schwarz unterm Staubmantel, Maria ein Sommerkleidchen, Josef Knitteranzug, Lazarus Hoodie und Baggy Pants, Jesus Lederjacke über Naturleinen (Ausstattung: Anne Marie Legenstein). Aus dem soliden bis sehr guten Ensemble stechen stimmlich und schauspielerisch Ursula Hesse von den Steinen (Tödin) und Sopranistin Koci hervor. Gnädig war auch der Wettergott, ihm dankte Ingrisch beim begeisterten Schlussapplaus. (Andrea Schurian, 7.8.2016)