"Verweile doch, du bist so schön!" Wer glückliche Momente intensiver erleben möchte, tut sich mit einer Kamera womöglich noch leichter.

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Los Angeles / Wien – Anfang des Jahres waren auf Instagram angeblich mehr als 40 Milliarden Fotos gespeichert. Beim erfolgreicheren Konkurrenten Snapchat werden täglich über 700 Millionen Fotos weltweit hochgeladen. In der Urlaubszeit sind es vermutlich noch ein paar mehr.

Doch was stellt das ständige Fotografieren mit den Personen an, die den schönen Moment festhalten wollen? Bewirken wir mit dem Geknipse nicht genau das Gegenteil, indem wir uns das Erleben mit dem Blick durch die Kameralinse zerstören?

Ein Team von US-Wissenschaftern um die aus Deutschland stammende Marketing-Professorin Kristin Diehl (University of Southern California in Los Angeles) hat diese Fragen experimentell zu klären versucht.

Stadtrundfahrt mit und ohne Kameras

Für ihre Studie, die in der Augustnummer des "Journal of Personality and Social Psychology" erschien, schickten die Forscher mehr als 2.000 Probanden zunächst etwa auf eine Stadtrundfahrt, in ein Museum und ließen sie in einer Markthalle essen. Die eine Hälfte sollte dabei fotografieren, die andere Hälfte nicht. Am Ende dieses Teilexperiments sollten alle Probanden darüber Zeugnis geben, wie intensiv sie die jeweilige Aktivität erlebt und genossen hatten.

Das Ergebnis kam unerwartet: Diejenigen, die fotografieren durften, waren allem Anschein nach mehr bei der Sache und hatten zudem mehr Spaß daran.

Das könnte natürlich auch eine Fehleinschätzung der Fotografierer gewesen sein. Aus diesem Grund führten Diehl und Kollegen ein weiteres Experiment in einem Museum durch: Diesmal trugen die Probanden eine Brille, die festhielt, wohin sie blickten und wie lange sie sich auf ein Objekt konzentrierten. Diese Versuchsanordnung bestätigte das erste Teilergebnis: Die Fotografen waren länger auf die Objekte fokussiert und genossen den Tag im Museum mehr.

Das Team um Diehl gab sich damit immer noch nicht zufrieden: In einem weiteren Versuch wollten sie klären, ob es das Knipsen selbst ist, das für die positive Erlebnisverstärkung sorgt. Diesmal ging es für die Teilnehmer abermals auf eine Stadtrundfahrt, und eine Gruppe wurde aufgefordert, nur in Gedanken Fotos zu machen. Der Effekt war ähnlich positiv wie beim Fotografieren selbst.

Mitunter stört das Knipsen

Doch es scheint auch Situationen zu geben, in denen es nicht sinnvoll scheint, zur Erlebnismaximierung auf den Auslöser zu drücken: Zum einen zeigte sich bei weiteren Experimenten, dass Fotografieren negative Erlebnisse genauso zu verstärken scheint wie positive. Zum anderen sollte man bei Aktivitäten, die eigene aktive Teilnahme erfordern, eher auch nicht die Kamera zücken. Schließlich komme es aber auch noch auf den Umgang mit den Fotos an: Auswählen und Hochladen unmittelbar nach dem Ereignis verringere den verstärkenden Effekt. (Klaus Taschwer, 9.8.2016)