Wien – Der neue alte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz erklärte nach seiner Wahl, dass es im Zuge seiner Bestellung "offensichtlich keine Absprachen und Deals in der Regierung" gab. Auch über die nun zu bestellenden Positionen gebe es keine Vereinbarungen, sagte Wrabetz bei einer Pressekonferenz. Kommen soll unter anderem ein Radiodirektor – diese Position werde einer der Radio-Senderchefs ausüben.

In der Sitzung des ORF-Stiftungsrats sei nicht nur seine Wiederbestellung beschlossen worden, sondern auch die Ausschreibung für die Direktionspositionen und die Landesdirektoren. Diese sollen am Donnerstag veröffentlicht werden. Am 15. September werde er dann die Direktoren und Landesdirektoren präsentieren, kündigte Wrabetz nach seiner Kür im ORF-Zentrum an. "Was mir wichtig ist, und das war auch etwas Besonderes: Es hat sehr offensichtlich keine Absprachen und Deals in der Regierung gegeben", sagte Wrabetz. Im Vorfeld sei vermutet worden, dass der ORF Gegenstand von Abtäuschen werde, mit Dingen die mit dem ORF nichts zu tun haben. Es sei für jedermann erkennbar, dass es solche Vereinbarungen nicht gegeben habe, betonte der Generaldirektor. In den nächsten Wochen werde er nun "die Besten, die sich bewerben" aussuchen und dem Stiftungsrat vorschlagen.

"Über Namen sage ich heute nichts"

Ausgeschrieben werden die Stelle einer oder eines Programmdirektorin/s, eines Technischen Direktors, eines Kaufmännischen Direktors und eines Radiodirektors. Der Radiodirektor werde die Funktion in Personalunion mit einem der Radiosenderchefs (Channel Manager) der ORF-Radios ausüben. Als Channel Manager fungieren derzeit Georg Spatt bei Ö3, Peter Klein bei Ö1 und Monika Eigensperger bei FM4. "Über Namen sage ich heute nichts", betonte er dazu noch auf Nachfrage.

"Ich hab's noch gar nicht realisiert. Es ist schon was Besonderes und eine wirklich große Freude", zeigte sich Wrabetz gelöst. Die Bestellung wollte er nicht als Wahl sehen, und nun will er sich bemühen, das Unternehmen rasch wieder aus der öffentlichen Diskussion herauszuführen: "Wir haben genügend zu tun." Im Vorfeld habe er viele Gespräche mit den Stiftungsräten geführt und eine Mehrheit überzeugen können, so Wrabetz. "Ich habe keine Gräben aufgerissen", meinte er und ging davon aus, dass man "relativ bald" wieder normal zusammenarbeiten werde. Die Stiftungsräte seien an der Weiterentwicklung des Unternehmens interessiert und, so Wrabetz: "Wenn ich was kann, ist es Mehrheiten finden."

Standort, Technologiewandel, Schärfung der Programme

Er geht davon aus, dass die inhaltlichen Differenzen mit jenen, die nicht für ihn votierten, überbrückbar sind und im Stiftungsrat wieder zusammengearbeitet wird. "Positiv überrascht und froh" war er darüber, dass die Sitzung "ohne jedes Hickhack abgelaufen" ist. "Ich freue mich auf weitere fünf Jahre", es werden spannende, verwies Wrabetz etwa auf die Fertigstellung des Standortprojekts, den Technologiewandel oder die Schärfung der Programme. Wichtig sei ihm auch der Dialog mit dem Publikum, habe der ORF doch eine "einzigartige Stellung".

Natürlich gebe es politische Entsendungen in den Stiftungsrat, dieser zeuge aber auch von Vielfalt. "Bei uns hat nicht die Regierung einen Generaldirektor bestellt", dies sei durch den Stiftungsrat in freier Mehrheitsbildung erfolgt. Im Vorfeld der Wahl habe es sachliche Diskussionen geben, "aber möglicherweise auch Diskussionen, die nicht nur sachlich waren", es zähle jedoch das Ergebnis, so Wrabetz. Bei der Personalauswahl sei er "natürlich immer" unabhängig gewesen, "jetzt aber in besonderem Ausmaß".

Die Sitzung des Stiftungsrates sei "sehr ausführlich" gewesen, beide Kandidaten legten "sehr gute" Konzepte vor, erklärte der Vorsitzende, Dietmar Hoscher. Bei den Hearings, die beide in etwa zweieinhalb Stunden dauerten, seien "weit über hundert Fragen" gestellt worden. Als Vorsitzender sei er "äußerst zufrieden", dass die Sitzung so sachlich abgelaufen sei. Zentrale Knackpunkte sah Hoscher zwar nicht, erwähnte aber Punkte, über die mehr diskutiert wurde, etwa über die Struktur. Diskutiert wurde auch über Programmdetails und das Radio.

Hoscher mag nicht Kaffeesud lesen

Angesprochen auf die Aussage des freiheitlichen Stiftungsrates Norbert Steger, der vor dem Hearing Neuwahlen und einen Machtwechsel im ORF anklingen ließ, erklärte Hoscher: "Ich betätige mich nicht in Kaffeesudleserei." Dass im Zuge von Wahlen dann das ORF-Gesetz vom Parlament geändert werde und neue Strukturen kommen, darüber zu sprechen wäre nun "reinste Spekulation". Dem wollte Wrabetz nichts hinzufügen. Er verwies jedoch auf die Diskussion über die Governance und schlug ein Geschäftsführungsmodell vor, bei dem wesentliche Beschlüsse gemeinsam gefasst werden. Die Letztverantwortung trage er selbst, so der Generaldirektor.

Auf die Frage, was der unterlegene Kandidat Richard Grasl ihm nach der Kür gesagt habe, antwortete Wrabetz: "Gratuliere." Der aktuelle Finanzchef habe ihm nicht den Rücktritt angeboten, sei man doch für die derzeit laufende Funktionsperiode bis Jahresende bestellt. "Ich gehe davon aus, dass jeder seinen Vertrag erfüllt", so Wrabetz.

Zur Frage, ob der Stiftungsrat angesichts der "Freundeskreise" tatsächlich entpolitisiert sei, wollten sich Hoscher und Wrabetz nicht wirklich äußern. Hoscher etwa verwies auf das Stimmverhältnis von 18:15 und ging davon aus, dass sich alle mit den Konzepten intensiv auseinandergesetzt haben.

Über die ORF-Gebühren wollte Wrabetz heute nicht reden, zunächst werde die Finanzvorschau erstellt, danach werde über eine Erhöhung oder Senkung entschieden.

Dass er als erster Generaldirektor für eine dritte Funktionsperiode in Folge bestellt wurde, wollte Wrabetz nicht hervorheben: "Ich bin froh, dass ich es weitermachen darf, weil das ist die schönste Aufgabe, die es in diesem Land gibt, und für dieses wunderbare Unternehmen die Verantwortung zu tragen, ist eine Freude." (APA, 9.8.2016)