Grafik: STANDARD

Wien – Der Schweizer Fernsehsender SRF brachte vor kurzem einen Sendeschwerpunkt bezüglich innovativer Jungunternehmen. In Folge eins wurde das Start-up Flatev vorgestellt. Die Schweizer Firma produziert eine Tortillamaschine. Oben wird eine Kapsel mit den komprimierten Zutaten in das Gerät eingeworfen, und unten kommt eine warme Tortilla heraus. Die Maschine kostet etwa 360 Euro.

Dass SRF Flatev porträtierte, war kein Zufall. Das Unternehmen hat für seine Idee mehrere internationale Preise gewonnen und gilt als eines der innovativsten Start-ups der Schweiz. Doch die Geschichte vom Tortillamacher ist in den Augen einiger Ökonomen ein Paradebeispiel dafür, was im Wirtschaftsleben aktuell schiefläuft.

Ein Großteil der neuen und als innovativ gefeierten Unternehmen stellt Produkte her, die zwar für Konsumenten nützlich sind, doch die Wertschöpfung profitiert von den Erfindungen dieser Start-ups nicht. Ökonomen wie der US-Amerikaner Robert Gordon machen fehlende Innovationen mit Breitenwirkung für das schwache Wachstum in Industrieländern verantwortlich.

Wie Start-ups eine Volkswirtschaft beeinflussen, ist nicht nur etwas für akademische Debatten. Österreichs Regierung hat sich die Förderung innovativer Jungunternehmen an ihre Fahnen geheftet, weil man sich davon Impulse für Beschäftigung und Wachstum erhofft. Kann das klappen?

Dünne Datenlage

Präzise Aussagen zu treffen ist schwer, weil die Datenlage dünn ist. So gibt es nicht einmal eine offizielle Definition von Start-ups. Sicher ist, dass in Österreich eine Verschiebung stattfindet: Der Anteil der Industriebetriebe an der Gesamtzahl der Unternehmen ist rückläufig. Von den 45.000 Unternehmen, die 2014 gegründet wurden, waren 3,6 Prozent in der Warenproduktion tätig. Auf den IT-Sektor entfallen mehr Neugründungen, der Boom findet in den Gesundheitsberufen (Pflege) statt.

Doch diese Zahlen betreffen alle Neugründungen. Für Start-ups finden sich Daten in einer neuen Studie der Wirtschaftsuniversität Wien, die auf der Befragung von 88 Wiener Start-ups beruht. Hier ist die Konzentration noch stärker. Fast 60 Prozent der Start-ups definieren sich als digitale Unternehmen. Entwickelt werden Softwareprodukte, Apps, Plattformen für Finanzdienstleistungen.

Die Häufung ist nicht unproblematisch. Basis für den Wohlstand in Ländern wie Österreich ist eine starke Industrie. Hier sind jene Steigerungen der Produktivität möglich, die für mehr Wirtschaftswachstum sorgen können. Wenn Menschen und Maschinen effizientere Fahrzeuge, Chemikalien oder Bagger herstellen, ist das die Grundlage für Wohlstandsgewinne. Dafür braucht es Innovation. Die digitale Revolution hat die Innovationsfähigkeit der heimischen Betriebe bisher aber kaum verändert.

Kein Sprung nach vorn

Das zeigt ein Blick auf die Entwicklung der totalen Faktorproduktivität (TFP). Mit diesem Wert messen Ökonomen technologische Effizienzsteigerungen. In Österreich stieg die TFP in den 60er-Jahren pro Jahr um 3,3 Prozent an. In den 1990er-Jahren lag der Zuwachs nur noch bei 1,1 Prozent pro Jahr, seit der Jahrtausendwende war das Wachstum kaum über der Nulllinie. Daran sieht man, dass die digitalen Umbrüche die Arbeit in der Fabrikhalle kaum verändert haben. Auch im Dienstleistungssektor gibt es offenbar keinen messbaren Produktivitätssprung.

Noch mehr auf die Förderung von Start-ups zu setzen, die Apps oder Tortillamaschinen erzeugen, wäre demnach zwecklos. Ökonom Werner Hölzl vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo ist weniger pessimistisch. Unternehmen, die auf neue Technologien setzen, bieten mehr Wachstumspotenzial als Dienstleister in der Gastronomie oder im Tourismus, wo Effizienzsteigerungen schon ausgeschöpft seien, sagt Hölzl.

"Doch der größte Teil der Start-ups entwickelt Apps, und hier ist das Beschäftigungspotenzial tatsächlich enden wollend", so der Ökonom. Österreichs Wirtschaft würde stärker von den Jungunternehmen profitieren, wenn sie sich an etablierten Industriesektoren orientieren, glaubt Hölzl. Ein erfolgreiches Start-up im Maschinenbausektor könnte helfen, Fabriken produktiver zu machen.

So denkt auch die Regierung. Kanzler Christian Kern (SPÖ) sagte bei der Vorstellung seiner Start-up-Strategie, dass Österreich nicht versuchen sollte, einen weiteren Onlinehändler wie Amazon hervorzubringen. Das Land müsse sich auf seine Stärke, die Industrie, konzentrieren und dort Unternehmen fördern. Das wird nicht einfach. Ein Start-up als Maschinenbauer hat schwierige Voraussetzungen. Eine Metallpresse zu entwickeln ist teurer, als eine Fitness-App herauszubringen. "Es gibt außerdem schon viel, eine Neuerung im Industriesektor zu finden ist schwer", sagt Hölzl.

Produktivität

Start-ups und die digitalen Technologien als Wachstumsbringer abschreiben wollen die meisten Experten so wie Hölzl nicht. Die Ökonomin Agnes Kügler vom Wifo sagt, dass es sehr wohl "Indizien" dafür gebe, dass die Produktivität in einem Land stärker steigt, wenn der Digitalisierungsgrad hoch ist.

Bei der Wirtschaftskammer heißt es, dass ein großer Teil der heimischen Jungunternehmen anderen Firmen zuarbeitet. Viele Firmen entwickeln also nicht Apps für Kunden, sondern Software für andere Unternehmen. Diese Start-ups könnten sehr wohl einen Beitrag zu mehr Produktivität und mehr Wachstum liefern. (András Szigetvari, 17.8.2016)