Wien/Alpbach – Für eine Erneuerung der Werte der Aufklärung hat Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) am Mittwoch bei der Eröffnung der Hochschulgespräche beim Forum Alpbach plädiert. Dabei müsse etwa die Frage geklärt werden, welche Rolle den Hochschulen bei der "neuen Aufklärung" – dem Motto des heurigen Forums – zukomme. Zu klären gelte es dabei, ob die Hochschulen Orte seien, wo relevante Fragen diskutiert und Veränderungen angetrieben werden – oder Elfenbeintürme.

Gleichzeitig müsse die Gratwanderung zwischen Zweckorientierung und Freiheit der Wissenschaft bewältigt werden. Kritisch bewertete er die historische Rolle der Universitäten in der Zeit der Aufklärung: "Vor 300 Jahren waren sie keine Treiber der Aufklärung." Vielmehr hätten sie mit einigen Ausnahmen als "stark beharrende Kräfte" gegolten, wo pointiert auswendig gelernt worden sei. "Relevante Fragen wurden nicht gestellt, weil man an althergebrachten Fächern festgehalten hat", so Mitterlehner – und nannte dabei etwas Jus. "Die wirklich wichtigen neuen Fragen wurden in den Kaffeehäusern, Salons und den neugegründeten Akademien gestellt." Voltaire habe letztere sogar gewarnt, Universitätsmitglieder aufzunehmen.

Plädoyer für Zusammenarbeit

Für eine Zusammenarbeit von Wissenschaft und Gesellschaft sowie eine positive und starke Beziehung zwischen den beiden Bereichen sprach sich der ehemalige Chef der US-Wissenschaftsvereinigung AAAS (American Association for the Advancement of Science), Alan Leshner, in der Eröffnungsrede der Hochschulgespräche aus, die sich heuer schwerpunktmäßig dem Informationstransfer zwischen Wissenschaft und Gesellschaft widmen. Nur so könne die Wissenschaft prosperieren. Umgekehrt benötigten die Menschen in einer modernen Gesellschaft ein grundlegendes Verständnis für Wissenschaft und Technologie.

Die Beziehung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft wurde allerdings in der Vergangenheit von einigen Turbulenzen erschüttert. Als Beispiele nannte Leshner Fälschungsskandale, Tierversuche, Interessenskonflikte und nicht reproduzierbare Studien. "Auch wenn sie selten vorkommen, nimmt jeder dieser Fälle der Wissenschaft nach und nach etwas von ihrem Glanz." Spannungen in der Beziehung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft entstehen nach Ansicht Leshners durch einen Mangel an Verständnis über und Vertrauen in die Wissenschaft sowie bei Konflikten mit Grundwerten der Gesellschaft, wie dies etwa bei der embryonalen Stammzellforschung der Fall sei. In solchen Konflikten verliere die Wissenschaft. Denn nur die Wissenschafter müssten sich den Zwängen und Erkenntnissen der Wissenschaft unterwerfen, der Rest der Gesellschaft könne diese ignorieren.

Als Rezept dagegen empfiehlt Leshner mehr als nur die klassische Vermittlung und Kommunikation wissenschaftlicher Inhalte. Dies reiche nicht mehr aus, denn die Menschen wüssten bereits viel über die verschiedenen Themen. "Es geht darum, die Gesellschaft zu beeindrucken, die Wissenschafter müssen ihre Begeisterung für ihr Tun teilen." Besonders müsse man sich dabei um die wissenschafts-skeptischen Teile der Gesellschaft kümmern. Eine mögliche Strategie dafür sieht Leshner in der Einbindung der Bevölkerung: "Statt Kommunikation in Richtung Gesellschaft – Kommunikation mit der Gesellschaft. Statt Monolog – Dialog." Das Problem dabei sei, dass "Wissenschafter keine guten Zuhörer sind". Es sei aber wichtig, auf die Bedenken der Menschen zu hören, diese seien genauso wichtig wie jene der Wissenschafter. Für diese persönliche Einbindung würden sich aber große öffentliche Veranstaltungen oder Vorlesungen wenig eignen, viel besser sei der direkte persönliche Kontakt von Wissenschaftern mit den Menschen. (APA, 24.8.2016)