Hochsicherheitstrakt der Justizanstalt Stein in Niederösterreich, Österreichs zweitgrößtem Gefängnis.

Foto: APA/Fohringer

Wien – Viele werden sich an die medial breitgetretene Krankengeschichte von Helmut Elsner erinnern. Dem Ex-Banker, um den sich die Bawag-Affäre rankt, mussten in der Zeit seiner Untersuchungshaft am Herzen drei Bypässe gelegt werden, danach folgte ein mehrwöchiger Kuraufenthalt. Schlussendlich wurde er aufgrund gesundheitlicher Probleme, nachdem er viereinhalb Jahre im Gefängnis saß, vorzeitig entlassen – bis dahin hat sein körperlicher Zustand das Justizministerium bereits einiges gekostet.

Das liegt weder an der Person Elsner, noch an der Bawag-Affäre. Häftlinge in Österreich sind schlicht nicht in die Sozialversicherung einbezogen – ausgenommen arbeitende Insassen, die dadurch arbeitslosenversichert sind, beziehungsweise all jene, die einen elektronisch überwachten Hausarrest absitzen und währenddessen einer normalen sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehen.

Tarife unversicherter Patienten

Für die "Gesundheitspflege" aller anderen Häftlinge muss das Justizministerium aufkommen – dabei wird dem Ressort von Krankenanstalten der Tarif für unversicherte Privatpatienten verrechnet, sagt Michael Binder, stellvertretender Leiter der Abteilung Aufsicht und Sicherheit des Justizministeriums. Und der liege "deutlich über den von den Sozialversicherungsträgern eingehobenen Beträgen".

Ein Tag als Nichtversicherter im Wiener Allgemeinen Krankenhaus kostet, so wird dort auf Nachfrage erklärt, in der allgemeinen Gebührenklasse 1127 Euro. Für ein 30-minütiges ärztliches Beratungsgespräch würden rund 60 Euro verrechnet. Darüber hinaus gebe es aber "keine Übersichtstabelle, was die Behandlung bestimmter Diagnosen für selbstzahlende Patienten kostet".

Versorgung geistig abnormer Rechtsbrecher

Die Gesundheitskosten machen jedenfalls einen erheblichen Teil des Budgets für den Strafvollzug aus. Jährlich werden rund 450 Millionen Euro in den gesamten Bereich investiert, knapp 80 Millionen Euro davon flossen im Jahr 2015 in die gesundheitliche Versorgung der Inhaftierten – also etwa in Aufenthalte in Krankenanstalten, auf die etwas mehr als 40 Millionen Euro entfielen. In diesem Betrag sind auch die Kosten für die externe Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher in psychiatrischen Anstalten enthalten, die mit rund 30 Millionen Euro zu Buche schlugen.

Hinzu kommen Ausgaben für Anstaltsärzte, interne Psychiater und Psychologen (6,5 Millionen Euro), für eigenes Pflegepersonal (5,5 Millionen Euro), zugekauftes medizinisches Personal (13,1 Millionen Euro) sowie Medikamente (6,9 Millionen Euro).

Steigende Gesundheitskosten

Der Gesamtstand an Insassen lag in den vergangenen Jahren relativ konstant bei knapp unter 9000 Personen. Die dem STANDARD auch vorliegenden Vergleichszahlen aus mehreren Jahren zeigen dennoch: Insgesamt sind die Gesundheitskosten seit dem Jahr 2011 um fast zehn Millionen Euro gestiegen – damals lagen sie noch bei 70,3 Millionen Euro.

"Intern werden alle Möglichkeiten der Kostenreduktion genutzt", sagt Binder. In Bezug auf die externen Ausgaben seien dem Ressort jedoch die Hände gebunden: "Eine Möglichkeit wäre natürlich die Einbeziehung der Insassen in die gesetzliche Krankenversicherung. Hier bestehen aber zahlreiche Unwägbarkeiten, insbesondere was die Zustimmung der Länder betrifft."

Dreimal so hohe Ausgaben

Wie viel der Staat durch die Versicherung der Häftlinge sparen könnte, ist seriös schwer zu beantworten. Der Rechnungshof hat jedenfalls bereits in einem Bericht aus dem Jahr 2012 festgestellt: "Im Durchschnitt betrugen die Ausgaben pro Häftling 2009 8.418 Euro und waren damit rund dreimal so hoch wie die laufenden öffentlichen Gesundheitsausgaben pro Kopf in Österreich."

Das Prüforgan empfiehlt eine "teilweise Einbeziehung" von Gefängnisinsassen in das Krankenversicherungssystem: Sie sollten "zur Betreuung" einem Sozialversicherungsträger zugeteilt werden. Dadurch könnten reduzierte Tarife erzielt werden, ohne dass die Nachteile eines eigenen Versicherungssystems in Kauf genommen werden müssten – durch ein solches könne nämlich ein "nicht abschätzbarer Aufwand für die Behandlung von Angehörigen der Insassen auch aus Drittstaaten" anfallen.

Binder betont jedenfalls: "Die medizinische Versorgung muss auch in Haft garantiert sein. Alles andere wäre gleichsam eine Form von Körperstrafrecht." (Katharina Mittelstaedt, 26.8.2016)