Wien/Chicago – Es war ein einigermaßen absurdes Gerichtsverfahren, das diese Woche in Chicago zu Ende ging. Denn der Künstler Peter Doig musste tatsächlich beweisen, dass er nicht der Urheber eines auf 1976 datierten Gemäldes ist. Aber der Reihe nach.

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Dieses Bild einer Wüstenlandschaft (1976) stand nun im Mittelpunkt eines Prozesses in Chicago. Gemalt wurde es vom Kanadier Doige, nicht vom bekannten schottischen Künstler Peter Doig.
Foto: AP / Bartlow Gallery, Ltd.

Dass Künstler ihren Arbeiten rückwirkend die Anerkennung entziehen, kommt in unterschiedlichen Ausprägungen immer wieder vor. Zu den bekannteren Fällen zählt Gerhard Richter, der in den 1960er-Jahren entstandene Arbeiten aus der Vorzeit seiner figürlich-realistischen Phase aus dem Werkverzeichnis verbannte. Teils handelte es sich um "studentische Arbeiten", die "ja mit Kunst noch nichts zu tun" gehabt hätten, wie er in einem Interview Ende vergangenen Jahres erklärte; teils auch um solche, die aus seiner Sicht keinen künstlerischen, sondern nur dokumentarischen Wert hätten.

Eine Auslese, die Kritik und Verunsicherung unter Sammlern und im Handel hervorrief. Beispielhaft dafür: Im Dezember 2012 gelangte bei Bassenge (Berlin) ein 1962 gemaltes Bild mit dem Hüttenwerk Rheinhausen zur Auktion. Richter erkannte zwar die Urheberschaft an, verweigerte jedoch die Aufnahme in den Werkkatalog. Denn es handle sich um eine einst in Geldnot geschaffene Auftragsarbeit, abgemalt von einer Fotografie der Fabrik. Das vom Künstler verstoßene Werk wurde dennoch versteigert. Statt der erwarteten 150.000 zahlte ein europäischer Käufer 340.000 Euro (exkl. Aufgeld), eine Mezzie, verglichen mit den seit einigen Jahren für Richter-Gemälde bezahlten Millionenpreisen.

Auch Richard Prince verweigert Teilen seines Frühwerks die offizielle Bestätigung, wiewohl sie in den 1970er-Jahren, und von ihm einst autorisiert, sowohl an Privatsammler als auch an Museen verkauft wurden. Sein Argument: Er könne sich damit nicht mehr identifizieren.

Doige, nicht Doig

Und genau dieses Motiv wähnte ein gewisser Robert Fletcher hinter Doigs Absage, eine auf 1976 datierte und mit "Doige" – nicht Doig – signierte, in Acryl gemalte Wüstenlandschaft zu beglaubigen. Eine Weigerung, die ein lukratives Geschäft in der Größenordnung von sechs bis acht Millionen Dollar verhinderte. Denn ohne Autorisierung sei das Bild, wie ein Experte im Verfahren erläuterte, nur 50.000 bis 100.000 Dollar wert. Fletcher und der Galerist Peter Bartlow, der aus dem Verkauf 25 Prozent Provision bezogen hätte, klagten auf Schadensersatz in der Höhe von fünf Millionen Dollar.

Beeindruckende Preissteigerung: "The Architect’s Home in the Ravine", 1991 von Peter Doig gemalt, wechselte 2002 bei Sotheby’s für rund 475.000 Dollar den Besitzer – im Februar 2016 erzielte es bei Christie’s in London nun stattliche 16,37 Millionen Dollar.
Foto: Christie’s

Wirft man einen Blick auf die Preisentwicklung für Werke des schottischen Künstlers, erklärt sich das ökonomische Interesse der Kläger. Hätte man im Jahr 2000 100 Dollar in eine Doig-Aktie investiert, läge der Wert laut der amerikanischen Kunstpreisdatenbank "Artprice" aktuell bei 1134 Dollar. Ein stattlicher Zuwachs, der auch über konkrete Beispiele dokumentiert ist, wie The Architect's Home in the Ravine belegt.

2002 wurde das 1991 geschaffene Großformat (200×250 cm) bei Sotheby's in London für rund 475.000 Dollar versteigert. Fünf Jahre später gelangte es unter gleicher Firmenflagge in New York zur Versteigerung und erzielte bereits 3,62 Millionen Dollar. Im Februar dieses Jahres kehrte es nach London zurück, wo der Christie's-Hammer bei stolzen 16,37 Millionen Dollar fiel. Ob ein Werk aus den 1970er-Jahren bei einer Auktion einen Millionenwert erzielen könnte, ist ungewiss. In einschlägigen Kunstpreisdatenbanken sind Arbeiten dieser Zeit nicht gelistet.

Fletcher, ein ehemaliger Gefängnisaufseher aus Kanada, war jedenfalls von Doigs Autorenschaft überzeugt. Denn es sei 1976 während eines Gefängnisaufenthaltes von ihm gemalt und für 100 Dollar an ihn verkauft worden. Der Schotte war damals erst 15 Jahre alt und lebte zwar in Kanada, war jedoch nie im Gefängnis. Recherchen seiner Anwälte zufolge muss es sich bei dem Gefängnisinsassen wohl um den damals 21-jährigen und 2012 verstorbenen Peter Doige gehandelt haben. Dessen Schwester versicherte im Verfahren glaubhaft, ihr Bruder habe das Bild gemalt. Am Ende sah es das Gericht als erwiesen, dass das Werk nicht vom Künstler Peter Doig – der übrigens nur Öl-, jedoch nie Acrylfarben verwendet(e) – stammt. (Olga Kronsteiner, 26.8.2016)