Kanzler Kern trifft am Samstag seine deutsche Amtskollegin – im Vorfeld gab es hüben wie drüben böse Schlagzeilen, zu Merkels Flüchtlingspolitik und über den Grant der Ösis.

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Wien – Die Attacke von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) gegen Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (CDU), mit ihrer "Wir schaffen das"-Politik für anhaltende "Fluchtbewegungen" nach Europa zu sorgen, wird zumindest hierzulande keineswegs als neuer diplomatischer Tiefpunkt in den Beziehungen zu Berlin gewertet. Im Außenamt von Sebastian Kurz (ÖVP) hält man fest: "Wir haben die gleichen Ziele wie Doskozil – und die Zusammenarbeit funktioniert gut."

Erst unlängst hat Kurz selbst Merkel dafür kritisiert, angesichts der Folgen nach dem Putsch in der Türkei am Flüchtlingsdeal mit Ankara festzuhalten. Doskozil warf der deutschen Kanzlerin nun via "Krone" wortwörtlich vor, dass ihr Vorgehen in der Asylkrise "unverantwortlich" sei. Dazu rechnete er vor, dass seit Jahresbeginn in Italien bereits erneut 105.000 Flüchtlinge angekommen seien. Sein Fazit: Ein "Rückführungsgipfel" müsse her. Die deutsche "Bild" titelte prompt: "Ösis stänkern gegen Merkel" – weil der Minister dort auch erklärt hat, dass Durchwinken nicht mehr möglich sei.

High Noon auf Schloss Meseberg

Das Pikante daran: Nach Doskozils Abrechnung trifft Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern am Samstag mit Merkel zu einem Mittagessen auf Schloss Meseberg nahe Berlin zusammen – um mit ihr sowie den Regierungschefs der Slowakei, Bulgariens und Kroatiens über den Brexit zu beraten. Wohl ebenfalls auf der Agenda: Die Flüchtlingskrise und die Beziehungen zwischen Brüssel und Ankara.

Im Kanzleramt in Wien wollte man Doskozils Aussagen im Vorfeld der Zusammenkunft nicht näher kommentieren – nur so viel hieß es dazu: "Es wäre zu kurz gegriffen, die deutsche Flüchtlingspolitik in einem Satz zusammenzufassen. In vielen Bereichen haben Deutschland und Österreich dieselben Interessen."

Ein Satz reicht nicht für Flucht

Der SPÖ-EU-Abgeordnete Eugen Freund dagegen qualifiziert das Merkel-Bashing seines Parteikollegen als "Aussage aus innenpolitischen Gründen" – und er nimmt die deutsche Kanzlerin in Schutz. "Flucht ist keine Urlaubsreise", sagt Freund, die Menschen in Eritrea und in Nigeria etwa, die sich in einer Notsituation befänden, würden sich "sicher nicht" wegen eines einzigen Satzes von Merkel übers Mittelmeer nach Europa aufmachen.

Freilich müsse sich Europa für mehr Hilfe vor Ort starkmachen, räumt er ein, und sich in Konfliktregionen wie Syrien stärker für Frieden engagieren. Den Kurs von Kerns Vorgänger Werner Faymann und Merkel im Vorjahr, die vielen ankommenden Asylwerber zuerst aus Ungarn, dann aus Slowenien passieren zu lassen, hält Freund nach wie vor für richtig: "Es wäre unverantwortlich gewesen, die Menschen an den Grenzen einfach stehenzulassen."

Leisten statt lästern

Hannes Swoboda, einst langjähriger SPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, twitterte am Freitag zum Thema erbost: Doskozil "sollte selbst was leisten anstatt Merkel wegen Flüchtlingsfrage zu attackieren. Kaum zu ertragen."

Oberösterreichs Integrationslandesrat, der Grüne Rudi Anschober, forderte von der Regierung angesichts der Flüchtlingsbewegung mehr Koordination und einen Integrationsbeauftragten, der endlich die Arbeit ihrer verschiedenen Ressorts sowie der Länder und Gemeinden bündelt. (Nina Weißensteiner, 26.8.2016)