Wien – Die "größten Geschichten aller Zeiten" hatten im Hollywoodkino traditionell mit Jesus zu tun. Ben Hur zählt dabei zu denjenigen, die sich der ganzen Sache vom Rande her nähern: Die Hauptfiguren, der jüdische Prinz Judah Ben-Hur und der Römer Messala, werden in der Bibel nicht erwähnt, sondern wurden von Lew Wallace für seinen 1880 erschienen Roman schlicht erfunden. Die Filmversion von 1959 zählt zu den legendären Bibelschinken, heute interessieren daran nicht zuletzt die eindeutig schwulen Zwischentöne, von denen sich Charlton Heston immer heftig distanziert hat.

Ben Hur (dargestellt von Jack Huston) gibt in der Arena beim Showdown ordentlich Gummi. Die jetzt in die heimischen Kinos kommende Neuverfilmung des alten Kassenschlagers aus dem Jahr 1959 ist schließlich mit nur zwei Stunden Spieldauer um fast die Hälfte kürzer geraten.
Foto: Paramount

Der Actionregisseur Timur Bekmambetow legt nun eine deutlich verschlankte Version für das 21. Jahrhundert vor. Die Absicht dabei ist klar: Einerseits sollen die Schauwerte (Ende der 50er-Jahre gegen das Fernsehen aufgeboten, heute eher gegen die Computerspiele) auf den neuesten Stand gebracht werden, andererseits bietet sich der Stoff auch für die Überblendung auf gegenwärtige Problemlagen an.

In Ben Hur geht es um eine zeitlose Konstellation: eine arrogante, imperiale Macht verdirbt es sich mit einem kleinen, noblen Volk. In diesem Fall kommt noch hinzu, dass es sich um zwei Hochkulturen von einigem Prestige handelt: Rom und Judäa, repräsentiert durch zwei attraktive Männer.

Bekmambetow arbeitet deutlicher heraus, dass der Moment des Umschlags in der Geschichte durch einen Akt des Terrorismus kommt. Der Einmarsch der Römer in Jerusalem ist beeindruckend gefilmt, wie überhaupt das Landschaftscasting und das Set-Design zu den Stärken des neuen Ben Hur (in passablem 3-D) gehören. Der Abstieg von Judah in die Hölle der Galeerensklaverei ist vielleicht die beste Sequenz des ganzen Films. Da spürt man, dass Bekmambetow selbst so etwas wie ein Trommler ist, einer, der einen mächtigen Blues anstimmen möchte.

Generell blutige Tendenz

Dummerweise muss er seinen Helden aber nach einer ziemlich packenden Seeschlacht wieder an Land lassen. Es gibt ja auch noch die große Showaufgabe zu absolvieren: Das Wagenrennen, auf das alles hinausläuft, ist – wenn man den historischen Unterschied mitbedenkt – nicht wesentlich effektvoller als jenes von 1959, aber halt im Einklang mit der generellen Tendenz des neuen Films blutiger.

Das ganze Tamtam kann insgesamt nicht darüber hinwegtäuschen, dass Bekmambetow nicht die geringste Ahnung davon hat, was an Ben Hur faszinierend sein könnte. Er gibt praktisch alles auf, was an der Geschichte einmal interessant war: das heilsgeschichtliche Pathos und den sehr, sehr langen Spannungsbogen. Bekmambetow prügelt die ganze Sache in zwei Stunden durch, für das allmählich wachsende Mysterium, das sich im Hintergrund mit dem Jesusgeschehen andeutet, hat er nicht das geringste Verständnis.

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Im Gegenteil: Er setzt Jesus von Beginn an aufdringlich ins Bild (der brasilianische Schauspieler Rodrigo Santoro immer mit dieser Miene, die das berühmte Messiasgeheimnis vom ersten Moment an verrät) und lässt ihn einen Blödsinn reden, der es niemals in die Bibel geschafft hätte. Die langsam wachsende Erkenntnis, dass es sich bei Jesus vielleicht um den Erlöser (in einem sehr anderen Sinn als dem erwarteten, politischen) handeln könnte, wird im neuen Ben Hur in einem hinten drangepappten Epilog im Schnelldurchlauf "gewonnen", nachdem sie von vornherein offensiv vorausgesetzt wurde (produziert wurde das Opus übrigens von dem christlichen Reality-TV-Mogul Mark Burnett und seiner Frau Roma Downey).

Aber das ist wohl auch ein Unterschied zwischen 1880, 1959 und 2016: Heute funktioniert das Spirituelle mehr wie ein Aufkleber. Die eigentliche Prophetenfigur ist ohnehin der jüdische Rosszüchter Ilderim, den Morgan Freeman spielt: ein Weiser aus dem Morgenland, der aussieht wie ein bei der Geburt getrennter Zwilling von Whoopi Goldberg. Ilderim hat (jedenfalls in der Originalversion) dieses sonore Organ, dem man immer schon eher zu glauben geneigt ist als einem atemlosen Live-Reporter. Und so hat der neue Ben Hur zumindest in dieser Hinsicht einen langen Atem, allerdings einen, der in fromme Langeweile umschlägt.

Die größte Geschichte aller Zeiten diente den Künsten lange als Herausforderung, an der sie ihre Kapazitäten maßen. Nun ist sie nur noch ein Aufhänger für schlecht koordinierte Thrills. (Bert Rebhandl, 31.8.2016)