Ein Bild aus besseren Zeiten: der saudische Botschafter Thamer al-Sabhan bei Iraks Außenminister Jafari.

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Bagdad/Wien – Die irakische Regierung gibt sich zuversichtlich, dass Mossul, das seit Juni 2014 vom "Islamischen Staat" besetzt ist, bald befreit werden wird. Gebetsmühlenartig erinnern diplomatische Besucher in Bagdad ihre offiziellen Gesprächspartner daran, dass eine militärische Lösung allein für Mossul nicht ausreichen wird: Der schiitische Premier Haidar al-Abadi wird den arabischen Sunniten, die aus Hass und Angst vor den Schiiten zumindest anfangs teilweise den IS als geringeres Übel wahrnehmen wollten, politische Perspektiven anbieten müssen, wenn sie wieder Vertrauen in einen vereinten Irak fassen sollen.

Zur moralischen Rückversicherung der arabischen Sunniten würde gehören, dass der Irak seine komplizierten Beziehungen zu den sunnitisch-arabischen Staaten verbessert: Erst zu Beginn 2016, also fast dreizehn Jahre nach dem Sturz Saddam Husseins durch die USA – und mehr als 25 Jahre nach dessen Einmarsch in Kuwait im August 1990 –, hatte Saudi-Arabien wieder seinen ersten Botschafter nach Bagdad geschickt. Nun verlangt die irakische Regierung von Riad, ihn abzuberufen.

Unmittelbarer Anlass für die diplomatische Krise sind Interviews Sabhans, in denen er behauptete, es gebe Pläne iranfreundlicher schiitischer Milizen, ihn zu ermorden. Tatsächlich hatte ein prominenter Milizenführer, Aws al-Khafaji, öffentlich davon gesprochen, dass es eine "Ehre" wäre, den Botschafter zu töten.

Die gegenwärtige Eskalation hat eine längere Vorgeschichte: Schon der Beginn von Sabhans Mission in Bagdad war durch die Hinrichtung des angesehenen saudi-arabischen schiitischen Ayatollah Nimr Baqir al-Nimr, über die sich auch irakische Schiiten empörten, schwer überschattet. Schiitische Parlamentarier verlangten bereits früher Sabhans Abberufung, etwa als dieser – für einen Botschafter durchaus üblich – saudische Staatsbürger in irakischen Gefängnissen besuchen wollte.

"Konfessionelles Feuer"

Der saudische Diplomat äußerte sich auch wiederholt kritisch zur iranisch-schiitischen Rolle beim irakischen Kampf gegen den IS und sprach von der Präsenz "iranischer Terroristen in Falluja, die die arabischen Iraker im konfessionellen Feuer verbrennen" wollten. Allerdings hatte der bereits erwähnte Khafaji seinerseits gesagt, alle Bewohner von Falluja – aus dem der IS im vergangenen Juni vertrieben wurde – seien IS-Terroristen.

Ebenfalls nicht zur Beruhigung beitragen dürfte der derzeitige Besuch einer Delegation aus der jemenitischen Hauptstadt Sanaa: Eine Abordnung der Huthi-Rebellen und ihres Verbündeten Expräsident Ali Abdullah Saleh, die im Jemen von einer saudisch-geführten Militärallianz bekämpft werden, bemüht sich in Bagdad um die Anerkennung ihres jüngst etablierten Regierungsrats.

Sie wird von Außenminister Ibrahim al-Jafari empfangen – der 2005 bis 2006 Premier war und den sunnitischen Arabern wegen seiner damaligen Schiitisierungsagenda ohnehin äußerst suspekt ist. Da wird es auch nichts nützen, wenn beide, Huthis und irakische Regierung, die neue US-Initiative, die bald wieder zu Friedensgesprächen führen soll, loben.

Kein Verteidigungsminister

Nicht als konfessionell motiviert kann hingegen das Misstrauensvotum bezeichnet werden, das vor wenigen Tagen den wichtigsten sunnitischen Minister in der Regierung Abadi zu Fall brachte: Verteidigungsminister Khaled al-Obaidi wurde Korruption vorgeworfen, und sein wichtigster politischer Gegner war der ebenfalls sunnitische Parlamentspräsident Salim al-Jaburi.

Die irakische Regierung spielt den Verlust des Verteidigungsministers, der noch dazu aus Mossul stammte – ein wichtiges Zeichen für die dortige Bevölkerung -, inmitten eines Krieges herunter. Aber aufgrund der innerirakischen Zerstrittenheit ist der Posten nur schwer neu zu besetzen: Auch für den irakischen Innenminister, der nach Großattentaten im Juli zurücktrat, gibt es noch immer keinen Ersatz.

Noch ein für die politische Balance wichtiger irakischer Minister ist mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert: Finanzminister Hoshyar Zebari, langjähriger irakischer Außenminister und naher Verwandter des Präsidenten der kurdischen Regionalregierung in Erbil, Massud Barzani. Am Samstag lieferten sich Abgeordnete der Barzani-Partei KDP und Zebari-Kritiker eine Schlägerei im Parlament in Bagdad. Als ob die Iraker nicht genug andere Sorgen hätten. (Gudrun Harrer, 31.8.2016)