Grafik: der Standard

Ein Blick zurück durch die Rückfahrkamera.

Foto: Andreas Stockinger

Mehr als fünf Meter misst der Jaguar XJ – in der Kurzversion, wohlgemerkt. Er ist so elegant, dass man sich fast nur im feinen englischen Zwirn in den Wagen traut. Der große Diesel steht dem XJ deutlich besser als die kleinen Selbstzünder.

Foto: Andreas Stockinger

Wien – Mehr als fünf Meter Automobil, da ist man entweder in der Pickup-Liga oder bei Großraumgerät à la VW Bus – oder in einer Abteilung elitärer Luxuslimousinen, die weltweit ganz klar vom deutschen Viergestirn Mercedes-Benz S-Klasse, BMW 7er, Audi A8 und Porsche Panamera dominiert wird.

300 PS Leistung und 700 Newtonmeter Drehmoment reicht dieser XJ dar.
Foto: Andreas Stockinger

Das Auto, in dem wir sitzen, ist englischer Provenienz. Die Firma gehört Tata aus Indien, Management und Ingenieursspitze sind deutsch, und die Rede ist vom Jaguar XJ, 5,13 Meter lang in der Kurzversion. Die lange kommt auf 5,26 Meter. Ein höchst eleganter, stilistisch eigenständiger Beitrag, innen so fein, dass man sich eigentlich nur in feinem englischem Zwirn reinzusetzen traut und sich mit legeren Jeans seltsam fehl am Platz vorkommt.

Modellpflege

Eingeführt wurde Jaguars Topmodell 2009, und soeben wurde er einer tiefgreifenden Modellpflege unterzogen, um ihn fit zu halten im sich immer rasanter fortentwickelnden Bereich Vernetzung, Infotainment, (Sicherheits-)Assistenz. Das permanente Auffahrwarnungsgepiepse macht einen übrigens wahnsinnig.

Das Heckdesign den XJ ist eigenwillig.
Foto: Andreas Stockinger

Aber erst einmal zu Design, Materialanmutung, Fahreigenschaften. Der charakteristische Grill mit der Katze inmitten weist den XJ sogleich als Jaguar aus, hinter der langen Motorhaube schwingt sich die Dachlinie fast coupéhaft, was die Eleganz auch in der Silhouette unterstreicht, und hinten wird mit einer ganz eigenwillig schlanken Heckleuchtengrafik gearbeitet. Auffällig der Mut zur großen Blechfläche (die beim XJ bekanntlich kein Blech ist, sondern Aluminium).

Besieht man den Jaguar seitlich von der A-Säule bis zum Fahrzeugende, fällt einem als einzige entfernte Assoziation der verblichene (und mindestens eine Liga darunter positionierte) C6 von Citroën ein. Das also ist besonders wohltuend: die schlanke Außenerscheinung, neben der sämtliche Deutschen Konkurrenten, bis auf den neuen Porsche Panamera, seltsam wuchtig und recht protzig wirken.

Duftende Augenweide

Innen feinste Leder, Metalle und Hölzer, wie das duftet und dem Auge schmeichelt! Platz ist ausreichend vorhanden, bei S-Klasse und Co aber üppiger, und die hinteren Passagiere stoßen nach oben hin rasch an ihre Grenzen, jedenfalls in der Kurzversion.

Der Innenraum. Aufgeräumt und zurückhaltend.
Foto: Andreas Stockinger

Gestartet wird per "Start Engine"-Knopf, dann fährt in Zeitlupe ein Drehknopf in der Mittelkonsole aus – nein, das ist kein Infotainment-Controller, sondern die Wahlzentrale für die Wandlerautomatik. Fantastisches Ding übrigens, von ZF, selbe achtgängige, die sich im 7er findet und gemeinsam mit der neuen 9-gängigen von Mercedes weltbestes seiner Art. Sortiert die Gänge sanft wie nur was und immer richtig und liefert einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Effizienz des XJ.

Noblesse

Das nämlich ist der nächste Punkt: Während die aktuellsten Diesel aus dem brandneuen JLR-Werk in England nicht restlos zu überzeugen vermögen hinsichtlich Geräuschkultur und Verbrauch, tut dies der (gründlich überarbeitete) V6 in jeder Hinsicht. Die Maschine ist so gut in Watte gepackt, dass sie sich akustisch kongenial zur Noblesse dieser Limousine verhält. Andererseits geht sie mit 300 PS und 700 Nm Drehmoment so souverän zu Werke, dass es an der Leistungsentfaltung nicht das geringste zu bemäkeln gibt.

Die Ledersitze verstellt man elektrisch.
Foto: Andreas Stockinger

Der Testverbrauch von 7,8 Litern pro 100 Kilometer darf als angemessen bezeichnet werden: kein Weltrekord, aber vorn mit dabei. Wem die steife Oberlippe zu zittern beginnt ob Diesel: Zwei Benziner stünden auch zur Auswahl, beides Kompressormotoren; ein V6 mit 340 PS (und Allrad), ein V8 mit 550 PS. Anders als bei der deutschen Konkurrenz gibt es keine Plug-in-Hybrid-Version (und auch keine vollhybride wie bei Lexus), aber da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, wie man hört. Vielleicht beim Nachfolgemodell.

Das Fahrwerk ist von jener Geschmeidigkeit, die dem Firmennamen angemessen scheint, der XJ rollt ab wie auf Samtpfoten, ein Genuss. Die Lenkung hingegen ist zwar präzise, vielleicht aber einen Tick zu leichtgängig.

Der XJ rollt wie auf Samtpfoten.
Foto: Andreas Stockinger

Damit zum (nigelnagelneuen) Infotainmentsystem. Nennt sich InControl Touch Pro, was schon auf Berührungsbildschirm schließen lässt. Anders als bei den Deutschen gibt es also keine Trennung zwischen Bedien- und Sichteinheit. Das ist zwar Geschmacksache, vom Bedienkomfort aber eher ein Nachteil.

Eigenheiten am Navi

Und wer bitte schön hat den Jaguar-Chefs eingeredet, das Navi, dessen grafische Ansicht auch nicht so recht zum noblen Charakter dieser Luxuslimousine passen will, müsse den Fahrer bevormunden und stets auf den ihm genehmen Zoomfaktor zurückfallen? Maßstab (oder Kartenausrichtung) fix einstellen? Fehlanzeige.

Die grafische Ansicht des Navi passt nicht zum noblen Charakter des Jaguar.
Foto: Andreas Stockinger

Das können die Deutschen erheblich besser, und wenn sich wer zwischen – sagen wir: S-Klasse und XJ entscheiden will, sich also nicht ohnehin schon festgelegt hat, da wird der Händler gute Argumente finden müssen.

In den meisten anderen Punkten braucht sich der Jaguar im Vergleich nicht zu verstecken. Er ist die im Moment wohl überzeugendste Alternative zu S, 7, A8 (zum Panamera hingegen weniger). Überzeugender als der einzige andere nichtdeutsche Gegner, der LS. Der kommt aber ohnedies bald ganz neu. (Andreas Stockinger, 1.9.2016)