Tom Fords Film "Nocturnal Animals" ist ein Meta-Thriller, der eine überkandidelte Rache-und-Reue-Geschichte und vom Leiden des Mannes (Jake Gyllenhaal) erzählt.

Foto: Merrick Morton / Universal Pictures International

Die ersten Tage sind mit US-Produktionen vollgeparkt. Nach den Oscar-Erfolgen von Gravity und Spotlight ist es Festivaldirektor Alberto Barbera sichtbar leichter gefallen, namhafte Regisseure aus Übersee an den Lido zu holen. Nun gelingt es sogar, die Qualität mit risikobewussten Arbeiten zu halten. Europäische Filme wie Wim Wenders' minimalistische Peter-Handke-Adaption Die schönen Tage von Aranjuez fallen einstweilen eher unter die Rubrik "und ferner liefen".

Tom Ford hatte 2009 mit A Single Man in Venedig debütiert, sieben Jahre später ist er mit Nocturnal Animals zurück, einem Meta-Thriller, der den hartnäckigen Stilwillen des Fashiondesigners auch im Kino unterstreicht. Mit einer feinen Dosis Camp à la Brian De Palma und satirischen Ansätzen, wie man sie von Paul Verhoevens US-Filmen schätzt, erzählt er eine überkandidelte Rache-und-Reue-Geschichte, welche die sterile Galerienwelt von Los Angeles mit der Gewaltkultur des texanischen Hinterlandes verbindet. Edeltrash gegen genuinen Trash, wer bleibt da Sieger?

Amy Adams spielt eine entmutigte Galeristin, die von ihrem Exmann (Jake Gyllenhaal) zur ersten Leserin seines Buches erwählt wird. Der Roman wird zur Parallelspur des Films, die eines B-Movies würdige, gewaltvolle Chronik einer Familie (wieder Gyllenhaal), die auf dem Highway von einer Gruppe Rednecks überfallen wird. Tom Ford will zwischen den beiden Ebenen existenzielle Erfahrung vermitteln, indem er Echos, auch visuelle Entsprechungen erstellt. Das Spiel um das Leiden des Mannes und die von ihren Wünschen entfremdete Frau bleibt jedoch etwas künstlich. Visuell betörend ist diese Reise in Nachtwelten allemal.

Consequence of Sound

Adams ist in Venedig die Schauspielerin der Stunde, man kann sie auch in Denis Villeneuves Science-Fiction-Drama Arrival als weitaus firmere Luise Banks erleben, eine Linguistin mit besonderen Begabungen. Das US-Militär hat sie für eine heikle Aufgabe auserkoren. Nach der Landung eines Raumschiffs in Montana – elf weitere sind an anderen Schauplätzen geparkt – soll sie helfen, den Erstkontakt aufzunehmen, also die Basis für eine gemeinsame Sprache zu finden.

Während Blockbuster das Genre mit Zerstörungswut leer spielen, legt Villeneuve den Finger auf philosophische Fragen. Wie findet die menschliche Spezies heraus, was die Heptapods, diese Kraken, auf die Erde geführt hat? Ein Trupp wird ins Innere des Ufos geschleust. Ein banger Austausch entsteht, der die Gefahr grundlegender Missverständnisse in sich birgt. Zeichen, Interpretationen, auch Zeitverständnisse geraten durcheinander, da eine Sprache auch eine andere Welt beinhaltet. Doch zu wortlastig wird der Film in keiner Sekunde.

Kein ganzer Mensch

Wie schon in dem Drogenthriller Sicario rückt Villeneuve eine Frau in den Mittelpunkt, die ihre Aufgabe wie ein ganzer Mensch angeht, sie hat Angst und Respekt, aber ihre Faszination für das Fremde überwiegt. Dass der Film aus lange in der Schwebe gehaltenen Erinnerungen letztlich ihre Intuition ableitet, ist eine der schönsten Ideen des Films. Er führt ins Innere einer schwermütigen Auseinandersetzung, in der es darum geht, wie wir uns selbst in Zukunft betrachten wollen.

Um das Eigene und das Andere, darum geht es auch in Ulrich Seidls Safari, einem Dokumentarfilm, der eine österreichische Familie (und ein paar andere Figuren) auf Großwildjagd in Namibia begleitet. Die Jagdszenen, die von der Pirsch zum Erschießen der Tiere führen und die Erregung der Jäger einfangen, bilden die zentralen Szenen. Zuerst stirbt eine Antilopenart, dann werden die Tiere aufsteigend größer, der Gipfel ist mit dem aufrüttelnden Todeskampf einer Giraffe erreicht.

Stadtkino Filmverleih

Dramaturgisch folgt der Film damit der Logik einer ansteigenden Provokation, was nicht frei von Kalkül ist. Seidls stilistischer Ansatz ist bekannt, seine Kompositionen sind oft genuin, er wartet darauf, dass sich die Menschen selbst entblößen. Doch nicht nur, dass die afrikanische Bevölkerung auf dienstfertiges Personal reduziert wird oder gar Knochen nagend im Halbdunkel sitzt, schränkt die Wirkraft ein.

Der Blick auf Afrika ist anders als im weitaus ambivalenteren Paradies: Liebe eine einseitige Angelegenheit. Außer der Tumbheit der weißen Familie gibt es nicht allzu viel zu entdecken. (Dominik Kamalzadeh aus Venedig, 2.9.2016)