Kellerasseln sind Destruenten, quasi die MA 48 des Gartenwesens.

Illustration: Dennis Eriksson

Wenn man jemanden im Garten nebenan laut "Du versauter Esel, du dreckiger ...!" rufen hört, so mag dieses Narrativ unterschiedliche Anlässe haben. Womöglich haben dort Gartler und Gärtnerin einfach nur eine Meinungsverschiedenheit, womöglich steht dort tatsächlich ein Esel, der gerade ins geliebte Dahlienbeet defäkiert hat – man wird es früher oder später erfahren.

Tratschende Nachbarn haben noch jedes lokale Ereignis zeitnah im Umfeld verbreitet und meist auch noch ausgeschmückt – schließlich geht es immer um die Geschichte, nicht um die Fakten. Gartlerinnen und Gärtner möchten schließlich auch infotained werden.

Wer bei diesem Ruf auf jeden Fall aufhorchen wird, ist die Kellerassel, dieser landasselige Ranzenkrebs, der den nass-steinigen Weg der Evolution vom Wasser raus aufs Land schon hinter sich gebracht hat. Deshalb haben Kellerasseln ihre Kiemen auch ziemlich zurückentwickelt, ja, fast entsorgt, und an deren Stelle gibt es so etwas wie Pseudotracheen, die man ja in ihrer vollen Ausbildung von den Insekten kennt.

Ein Esel und ein Schwein

Die Bezeichnung Assel kommt aus dem Lateinischen und bezieht sich auf den Esel (asellus), und der wissenschaftliche Name Porcellio scaber steht doch tatsächlich für "dreckiges Schweinderl". Warum wohl? Mag es damit zu tun haben, dass sich Asseln immer dort aufhalten, wo man mit seinem Bartwisch nicht hinkommt, wo stets noch ein wenig Dreck im feuchten Winkel klebt? Wo selbst der gekrümmte Kratzbesen des Gartlers versagt? So mag es sein.

Asseln findet man im Garten unter jedem Stein, unter jeder Planke.
Foto: Getty Images/iStockphoto/Nancy Nehring

Flashmob unterm Stein

Auf jeden Fall findet man im Garten Kellerasseln unter jedem Stein, unter jeder Planke, unter jedem Untertopf, quasi überall, wo es dunkel und ein wenig feucht ist. Das mögen die dreckigen Schweinderln. Dort veranstalten sie ihre Flashmobs, findet man sie doch ausschließlich in Gruppen, eng an eng und stets hysterisch in alle Richtungen davonsprengend, wenn man so ein Nest entdeckt. Hochinteressant ist es zu beobachten, wie schnell sie dann die Bühne räumen können. So unbemerkt sie gekommen sind, so schnell sind sie auch wieder weg.

Das Wichtigste zum Schluss: Sie zu bekämpfen wäre völlig falsch. Sind sie doch zum einen gar entzückend anzusehen und zum anderen auch noch nützlich. Kellerasseln ernähren sich von dem, was nach dem Tod einer Pflanze oder von deren Teilen überbleibt. Sie sind Destruenten, quasi die MA 48 des Gartenwesens, nur eine Spur leiser und weniger schrill in der Außenwirkung als die Wiener Müllabfuhr.

Wer Kellerasseln etwas antut, kann kein guter Mensch sein. (Gregor Fauma, RONDO, 19.9.2016)