'Wien – Nick Caves Gesamtwerk ist gespickt mit akustischen Trauerweiden, mit Balladen über gebrochene Herzen und frische Gräber. Da wird Gott angefleht und verdammt, Herzdamen werden gefreit und zur letzten Ruhe gebettet.

Im Kern der Songs steckt oft noch die Wut des Punk, des Misfit, der von Australien auszog, mit der Birthday Party Blues und Punk vermählte, dazu ein Halleluja rülpste und einen Furz entflammte.

Doch mit dem ersten Lied seines ersten Soloalbums, einer Version von Leonard Cohens "Avalanche", zeigte er, wohin die Reise gehen sollte. In die Oberliga des Songwritings, dekoriert von schweren Zeichen, gebettet auf edle Melodien und dargebracht im Tonfall eines Geschichtenerzählers, dem man (fast) alles glaubt.

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Foto: Reuters/TOBY MELVILLE

Derlei ist ihm seit damals oft gelungen, Cave ist ein Weltstar und gehört zu den größten Songwritern unserer Zeit. Sein neues Album "Skeleton Tree" wurde durch den Tod seines Sohnes Arthur letzten Sommer zu einer Trauerarbeit. Man kann und will sich nicht vorstellen, welches Gewicht einem so eine persönlichen Katastrophe aufbürdet.

Cave benutzte seine Kunst als Ventil zur Bewältigung, was sonst? Im Folgenden gibt es eine kleine Auswahl von so traurigen wie wunderschönen Songs. Werke aus dem "Well Of Misery", aus dem Cave in den letzten 30 Jahren oft und erfolgreich geschöpft hat.

Auf naheliegende Stücke wie den "Weeping Song", "The Good Son", "Sorrow's Child" oder die nachgerade grausam erscheinende Erwähnung des Titels seines zweiten Albums wurde dabei verzichtet, und natürlich ist kein einziges Lied dieser Auswahl aus der Themenstellung sterbendes Kind entstanden. Doch in allen ist eine universell vernehmbare Traurigkeit zu spüren, die eine Schönheit gebiert und auf Hoffnung zumindest hofft. Bevor es esoterisch wird, geht's los. (Karl Fluch, 8.9.2016)

Brompton Oratory stammt von "The Boatman's Call" (1997), dem zehnten Studioalbum von Nick Cave and the Bad Seeds. Kein Gott, kein Teufel, singt er hier auf steinernen Kirchentreppen, vermochte ihn je in die Knie zu zwingen. Seinem Baby jedoch, das da drinnen aufgebahrt liegt, dem ist das gelungen.

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Oh My Lord ist ein guter Song von einem schwierigen Album: "No More Shall We Part" (2001). Ein bis zur Geschwätzigkeit wortlastiges Werk mit Bibel-Breitseite, mittendrin aber eine Perle wie diese. Habe ich Gott erzürnt?, fragt er, zerrissen zwischen weltlicher Banalität und der Suche nach Höherem – was auch immer.

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Ain't Gonna Rain Anymore ist eine drückende Abschiedsnummer aus dem Album "Let Love In" (1994). Davon finden sich einige in seinem Katalog. Caves Interesse an US-amerikanischen Südstaatenmythen steht in voller Blüte. Die Liebe ist weg, der Erzähler allein und untröstlich. Sag, was du willst, es interessiert mich nicht. "My baby has gone."

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O Children, ein Gospel beleihendes Lied aus dem Album "Abattoir Blues / The Lyre Of Orpheus" (2004). Das Königreich, das Cave darin erwähnt, mag das Jenseits sein. Obwohl der Zug dorthin noch nicht abgefahren ist, weiß der Erzähler um das Unabwendbare: "We're all weeping now, weeping because / There ain't nothing we can do to protect you." (Dass das Lied in einer Harry-Potter-Verfilmung auftaucht, stellt Fans auf eine Prüfung, aber da muss man stark sein.)

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Right Now I'm A-Roaming stammt von der Rückseite der Single "Into My Arms" entnommen dem Album "The Boatman's Call". Ein vermeintlich heiterer Song, in dem Cave aufzählt, was er alles zu tun gedenkt, wenn er heimkehrt. Jetzt aber, jetzt wandert er herum. Leere Versprechen an Gott, die Welt, sich selbst und seinen Sohn, dargebracht in Tom-Waits'scher Schluckspechtmanier.

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(Karl Fluch, 9.9.2016)