Immerhin: Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko wird noch zur Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) Christine Lagarde durchgestellt. Nach einem Telefonat mit Lagarde erklärte Poroschenko, dass der IWF die Entscheidung über die nächste Tranche eines Milliardenkredits an die Ukraine auf die Tagesordnung seiner nächsten Sitzung am 14. September gestellt habe. "Ich rechne mit einem positiven Bescheid", fügte Poroschenko hinzu.

Zuvor hatte der IWF mehrfach eine Entscheidung verschoben. Die Organisation begründete dies mit den schleppenden Reformen in der Ukraine und den politischen Risiken. Die Regierungskrise ist nach dem von einem langen Hin und Her begleiteten Rücktritt von Premier Arseni Jazenjuk und der anschließenden Ernennung Wladimir Groismans zwar überwunden, doch stabil ist die Lage in Kiew deswegen noch lange nicht. Das Rating von Präsident Petro Poroschenko ist äußerst niedrig. Für wichtige politische Reformen, unter anderem die von Kiew zugesagte Autonomie-Regelung für das Donbass-Gebiet, fehlt der Administration die Unterstützung im Parlament.

Zuletzt geriet Kiew international wegen der Angriffe auf den oppositionellen TV-Sender "Inter" in die Kritik. Offiziell werden radikale Nationalisten für die Brandanschläge auf den Sender verantwortlich gemacht, doch es gibt Indizien dafür, dass die Aktionen von oben sanktioniert sind. So machte der Leiter des nationalen Rundfunkrats Juri Artemenko die Journalisten selbst für die Angriffe verantwortlich.

Große Skepsis

"Heute wurdet ihr angezündet. Wenn Ihr nicht umdenkt, werden sie Euch morgen erschießen und niemand wird irgendetwas tun", sagte Artemenko, auch wenn er die Attacke als unzulässig kritisierte. Der Generalsekretär des Europarats Thorbjorn Jagland forderte Kiew daraufhin nachdrücklich zum Schutz der Pressefreiheit auf.

Die negativen Schlagzeilen tragen nicht dazu bei, das Wohlwollen der IWF-Offiziellen zu erhöhen. Experten sind daher uneins, wie hoch die Chancen Kiews sind, tatsächlich weitere IWF-Gelder zu bekommen. Während der Partner von SD Capital, Ex-Nationalbankvize Wladislaw Raschkowan, gegenüber dem STANDARD die Zuteilung der nächsten Tranche als "gemachten Deal" einschätzt, sieht sein Kollege Andrej Blinow die Chancen dafür bei "unter 50 Prozent". Noch unwahrscheinlicher ist, dass der IWF die gesamte Summe von 1,66 Milliarden Dollar überweist. Als Kompromissvariante gilt derzeit die Überweisung von einer Milliarde Dollar. Blinow erwartet zudem "sehr harte Bedingungen" bei der Überprüfung des weiteren Kreditprogramms.

Für Kiew sind die IWF-Gelder wichtig, weil sie weitere internationale Hilfskredite ermöglichen, insgesamt sind derzeit 2,5 Milliarden Dollar in der Warteschleife. Die Ukraine braucht das Geld, um den Haushalt zu stabilisieren und Gas für den kommenden Winter anzukaufen. Die Regierung hat angeordnet, die Gasspeicher bis November auf 17 Milliarden Kubikmeter aufzufüllen. Der Zeitplan ist eng bemessen, vor allem, da es nach wie vor keine Einigung mit Gazprom über Lieferungen gibt. Sollte es zu weiteren Verzögerungen bei den Krediten kommen, drohen den Ukrainern kalte Füße. (André Ballin aus Moskau, 9.9.2016)